: „Schluß mit der Asyldebatte“
■ Micha Brumlik fordert Einwanderungsgesetz / Gegen Bewaffnung der Juden
“Die Morde in Mölln beweisen, daß diejenigen, die seit Jahren vor den Auswirkungen der Asyldebatte gewarnt haben, Recht behalten haben“. Der Frankfurter ex-Grüne und Pädagogik-Professor Micha Brumlik forderte am Freitag ein Ende der Asyldebatte. Er hielt den Schlußvortrag bei der Tagung „Zuwanderung und Sozialpolitik“ an der Bremer Uni. Von der Bundesregierung und vor allem der SPD forderte er: „Schluß, bis der Rechtsterrorismus dingfest gemacht ist.“ Außerdem müsse so schnell wie möglich ein Einwanderungsgesetz verabschiedet werden.
Den Aufruf Ralph Giordanos, die jüdische Bevölkerung solle sich bewaffnen, hält das prominente Mitglied der Frankfurter jüdischen Gemeinde jedoch für „völlig absurd. Wenn es tatsächlich gefährlich wird, dann können sich die Juden natürlich nicht selbst schützen.“ Jeder Mensch habe sowieso das Recht auf Selbstverteidigung. Giordanos Aufruf sei ein Warnzeichen, und vor allem ein Ausdruck der Verzweiflung: „Die Tragödie des letzten Versuches eines deutsch-jüdischen Patrioten, doch noch einmal dieses Deutschland — dem er wider aller Zweifel 40 Jahre lang die Treue gehalten hat — aufzurütteln.“
Brumlik hält am Artikel 16 fest, anders als der grüne Frankfurter Dezernent für Multikulturelle Angelegenheiten: „Die Änderung von Verfassungsartikeln als politisches Spielgeld in die Verhandlung einzubringen ist falsch. Cohn-Bendit spielt in einem törichten Spiel mit.“ Dringend nötig sei der Einsatz für ein Einwanderungsgesetz, eine Regelung für die Kriegsflüchtlinge und genauso entschieden für die Beibehaltung des Asylrechts.
In seinem Tagungsvortrag „Immigration und Weltbürgerrechte“ versuchte Brumlik, die Möglichkeit zur Zuwanderung als Menschenrecht zu begründen. „Zu diesem Thema inspiriert hat mich ein Mann, mit dem ich nie und nimmer ein Wort wechseln würde — der Vorsitzende der Frankfurter NPD“, sagte Brumlik. Der hatte behauptet, schon der Philosoph Immanuel Kant hätte sich gegen ein Immigrationrecht ausgesprochen. Zwar sprach sich Kant tatsächlich nicht für ein Einwanderungsrecht, sondern ein „Besuchsrecht“ aus. Gleichzeitig aber sagte er, daß ein Fremder nur dann abgewiesen werde könne, wenn ihm dadurch nicht der Untergang drohe.
„Dieses Kantsche –Besuchsrecht– geht weiter als die Genfer Flüchtlingskonventionen. Es entspricht in etwa dem deutschen Asylrecht“, so Brumlik. „Nach meiner Interpretation bedeutet es auch, daß die Beweislast, ob ein Flüchtling durch seine Abweisung vom Untergang bedroht ist oder nicht, beim Staat liegen muß, genau wie in einem Strafprozeß.“
Ganz und gar nicht im Einklang mit philosophischen Erkenntnissen steht hingegen der Artikel 116 der Verfassung: Als deutsche StaatsbürgerInnen gelten nur solche, die ihre deutsche Abstammung, sprich deutsches Blut in ihren Adern, nachweisen können. „Dieser Artikel ist nicht nur im Sinne der modernen Rechtsentwicklung rückständig, weil von der unsinnigen Annahme ausgeht, Rechte seien vererbbar“, meint Micha Brumlik, „sondern er ist darüber hinaus rassistisch und ein politischer Skandal.“
Silke Mertins
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