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Leibwäsche mit Nebenwirkungen

■ Service für Hausfrauen nach Ladenschluß: Dessous-Modenschau im romantischen EKZ Hamburger Straße

im romantischen EKZ Hamburger Straße

Wozu trägt der Mensch Unterwäsche? Zur Abwehr des Blasenkatarrhs in der kühlen Jahreszeit? Um die Oberbekleidung vor der sommerlichen Transpiration zu schützen? Natürlich nicht. Sie dient vielmehr der erotischen Inszenierung. Das behauptet zumindest die betreffende Industrie. Und versucht uns — Frauen wie Männer — vom schlichten und preiswerten Feinripp auf aufwendige und kostspielige Hochglanzleibwäsche, die wir Dessous nennen müssen, umzurüsten. Triebspezialisten wie Erika Berger verordnen sie bei Ehe-Apathie und Potenzträgheit. Ohne auf die Nebenwirkungen hinzuweisen: Das Mieder zwickt, die halterlosen Strümpfe rutschen, der Männer- Einteiler (vulgo: Body) läßt die Entblößung (zum Zwecke der fäkalen Ausscheidung) zum heiklen Striptease werden. Die Mitteleuropäerin — resp. der Mitteleuropäer — aber ist auf Zweckmäßigkeit geeicht („Deutsch sein, heißt sachlich sein!“), die hiesige Dessouswirtschaft leidet folglich unter Absatzschwierigkeiten.

Soweit zu Ideologie und Praxis. Es gibt noch ein Drittes: das Konzept. Zum Beispiel dieses: Modenschau im Einkaufszentrum Hamburger Straße, Mittwoch abend nach Geschäftsschluß. Unter dem Waschbeton des Foyers läßt die Firma „Douglas Dessous“ Mannequins beiderlei Geschlechts auflaufen — zum Ergötzen von Voyeuren und Hausfrauen. Sehen wir von den ungünstigen Räumlichkeiten und der augenfälligen Unvollkommenheit der Akteure ab, nehmen wir die Veranstaltung einen kurzen Moment ernst. Dann bietet sie folgende Erkenntnisse:

Ø Der Herr trägt auf der Haut

1weiterhin buntbedruckte Sporthosen (Boxershorts), auch anatomiefreundliche Slips in kräftigen Farben.

Ø Auch sollte er einen geknöpften Einteiler in glänzender Naßoptik vorrätig halten.

Ø Knielange Hemden und ebensol-

1che Beinkleider werden von ihm zur Nacht getragen.

Ø Die Dame geht in Weiß zu Bett.

Ø Zum Manne geht sie in gerüschtem Hüfthalter, oben trägt sie 'was Gerafftes — ebenfalls reinweiß.

Ø Auch üppige Rosenmuster sind im Angebot.

1Ø Die Zeit der spektakulären Beinausschnitte ist offensichtlich vorbei, das züchtige Miederhöschen feiert seine Wiederkehr.

Anzumerken wäre noch, daß die Missionarinnen und Missionare der Unterwäscheausstatter in Straps und String keine gute Figur abga-

1ben, schon gar keine reizende. Diese Textilien sind tückisch: Obwohl elastisch, passen sie sich nicht den körperlichen Eigenheiten ihrer Trägerinnen und Träger an. Deshalb die Warnung: Auf den erotisierenden Effekt solcher Inszenierungen ist kein Verlaß! Gabi Thaler

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