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Skinheads prügelten Dänen krankenhausreif

■ Dänische SchülerInnen wurden am 20. April in Mahlsdorf von Skinheads überfallen / Entsetzen über Deutschland

Berlin. Die SchülerInnen einer neunten Klasse aus Dänemark hatten viel über den aufkeimenden Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland gehört. Doch was sie bei einer Schulfahrt nach Berlin erlebten, übertraf selbst ihre schlimmsten Erwartungen: In Mahlsdorf wurden die Klasse und die beiden Lehrerinnen am vergangenen Dienstag abend von Skinheads verfolgt und teilweise krankenhausreif geschlagen.

Die Fahrt nach Berlin hatten die 16- und 17jährigen aus Kopenhagen als ersten Preis in einem Wettbewerb des Goethe-Instituts gewonnen. Sie hatten ein Logo zum Thema „Deutschland unser Nachbarland“ entworfen, das von dem Satz gekrönt wurde: „Deutschland unser Nachbarland, Nachbarschaft heißt Freundschaft“.

Bei der Ankunft der Klasse am Montag in Berlin standen Zimmer in einem Jugendhotel in Hellersdorf bereit. Um das abgelegene Quartier von der City aus zu erreichen, brauchten die Dänen zwischen einer und anderthalb Stunden. An ihrem zweiten Abend in Berlin traf die Klasse gegen 22.15 Uhr mit der S-Bahn an der Endstation Mahlsdorf ein. Vor ihnen lag noch ein rund zehnminütiger, kaum beleuchteter Fußweg. Am Bahnhof teilte sich die Klasse in mehrere Gruppen. Die meisten gingen in schnellem Tempo voraus, die Nachhut bildeten einige männliche Schüler, die beiden Lehrerinnen und ein 12jähriges Mädchen, Tochter von einer der beiden Frauen. Als sie die Treppe hinuntergingen, wurden die Nachzügler von sechs bis sieben angetrunkenen deutschen jungen Männern – zum Teil mit Skin-Outfit – angepöbelt. Sie forderten die Fremden auf, an diesem 20. April „Happy Birthday“ für Adolf Hitler zu singen. Die Dänen ignorierten das und eilten schnell weiter.

In diesem Moment wurden die Deutschen – darunter auch zwei Frauen – handgreiflich. Sie drängten einzelne der Schüler ab, schlugen mit Fäusten auf ihre Köpfe ein, traten sie mit Füßen. Auch die Lehrerinnen wurden verprügelt. Als die Gruppe dennoch endlich das Hotel erreichte, verabschiedeten sich die Schläger mit den Rufen: „Wir kriegen euch, wir kriegen euch!“ Der Däne Frederic – ein gebürtiger Phillippine – und sein Mitschüler Gena wurden mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Frederic mußte dort sogar bis Donnerstag bleiben.

Die übrige Klasse zog in ein Hotel in Prenzlauer Berg um. Der Rest des Berlin-Aufenthaltes, so die Lehrerin Annette Messerschmidt zur taz, sei von dem Überfall überschattet gewesen. Selbst beim Shopping in der Innenstadt habe die Jugendlichen die Angst geplagt, erneut von Skinheads angegriffen zu werden. Von der Polizei sei man sehr freundlich behandelt worden, auch ein Mitarbeiter des Bezirksamts – nach Informationen der taz war es der Hellersdorfer Jugendstadtrat Roland Kreins (SPD) – habe telefonisch sein Bedauern übermitteln lassen. Gestern reiste die Gruppe nach Hause ab. Was die Jugendlichen dort erzählen werden? „Die Wahrheit“, sagt Frederic. „Ich habe vorher nicht geglaubt, daß es in Deutschland so schlimm mit dem Rechtsextremismus ist. Jetzt weiß ich, es ist noch viel schlimmer, als in den Medien behauptet wird.“ plu

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