: Die Sinnlichkeit des Türöffnens
■ Ausstellung über die 100-jährige Design-Geschichte der Türklinke in der Securitas-Galerie
Was fühlen Sie, wenn Sie eine Tür öffen? Eine Türklinke natürlich. „Wo der Mensch das Haus berührt“, lautet der sinnliche Titel einer Ausstellung in der Securitas-Galerie, die dieses alltägliche Instrument 44 Mal in den Mittelpunkt stellt.
Ganze Generationen von Designern haben die Türklinke als echte Herausforderung angesehen. Ziel und Ergebnis war dabei oft, daß die greifende Hand sich mühelos um sie legt. Daß eine funktionelle Klinke gleichzeitig Tür, Raum und Haus zur Zierde gereicht, passiert dabei fast von allein. Auszuprobieren, welche Klinke als handschmeichler taugt, dazu fordern die ausgestellten Türdrücker unmißverständlich auf: sie öffnen allesamt richtige Türen, hinter denen sich Informatives zur Designgeschichte der Türklinke auftut.
Wenn auch ein schmiedeeisernes „Falleneinlaßschloß“ aus dem 15. Jahrhundert auf eine viel längere Geschichte verweist, konzentriert sich die Ausstellung auf die letzten Hundert Jahre Türklinkenkunst. Die Türdrücker des Jugendstils schmeicheln in ihrer pittoresken Formsprache eher dem Auge als der Hand (wie die Klinken von Heinrich Vogeler im Barkenhof und der Güldenkammer des Rathauses). Zu Beginn der 20er Jahre konkurrierten historische Schnörkeldrücker mit funktionellen Bauhaus-Konstruktionen. Zu einem Standartprodukt wurde Walter Gropius Türdrücker aus stereometrischen Grundformen: Der zylindrische Griff steckt auf einem L mit quadratischem Schnitt.
Der in Bremen geborene Wilhelm Wagenfeld, für den die Maxime der Brauchbarkeit immer an erster Stelle stand, kreierte an der Weimarer Bauhochschule verschiedenste Türklinken. Bei ihm tauchte zum ersten Mal der sogenannte Daumenstopper in der Formgebung auf. Das ist eine Abflachung an der Stelle, auf die der ausgestreckte Daumen sich legt, wenn die Faust sich um die Klinke schließt. Die späten Modelle Wagenfelds wurden bis in die 70er Jahre hinein hergestellt und kommen der BetrachterIn — wie fast alles Wagenfeld-design — so bekannt vor, daß man versucht ist, zuhause nachzuschauen und zu vergleichen.
Ab Mitte der 30er Jahre orientieren sich die Formen der Griffe eindeutig an der Anatomie der Hand: der Handballen ruht auf einem wie nach oben gewölbten Blatt, der Zeigefinger findet Halt in einer Ausbuchtung. Dieselben ergonomischen Erkenntnisse fanden Anwendung bei Schraubenziehergriffen, Bügeleisen und Hebeln zur Maschinenbedienung.
Ihren Höhepunkt findet der anatomische Anpassungsversuch in Luigi Colanis Kunststoffklinke, deren Formgebung offensichtlich auf einen in der Hand zerquetschten Klumpen Ton zurückgeht. In jüngster Zeit experimentieren die Designer vor allen Dingen mit neuen Materialien, denn Nylon, Silikon und Gummi fühlen sich wärmer an und glänzen nicht so aufdringlich. Formenunderstatement in popfarbenen Kunststoff gehört dazu genauso, wie die Bauklotz-Geometrie des italienischen Auto- Designers Giorgetto Giugiaro (Scirocco, Golf, Panda). Beate Ramm
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