: Nicht jeder Schuß ein Treffer
■ Efff Ceee Sankt Pauli: Impressionen vom Trainingsplatz des abstiegsbedrohten Zweitligisten / Ottens fehlt heute abend 18 Uhr (bekannter Spielort) gegen Mainz
Impressionen vom
Trainingsplatz des abstiegsbedrohten
Zweitligisten / Ottens fehlt heute abend 18 Uhr
(bekannter Spielort) gegen Mainz
Ein unendwegtes Rauschen der Autobahn liegt einem in den Ohren, nur unterbrochen von dem Dröhnen von Flugzeugantrieben beim Take-Off vom Airport Fuhlsbüttel. Ein rotgelockter Mann in einem Trainingsanzug brüllt Anweisungen. Eine Handvoll Zuschauer hat sich auf den Stehtraversen um den Platz versammelt, auf dem die Spieler des FC St. Paulis ihre Trainingseinheiten absolvieren.
Nach den obligatorischen Aufwärmübungen, dem Warm-Up, wie es beim anderen Hamburger Fußballclub, dem HSV, in der Stadionzeitung als Attraktion angepriesen
1wird, folgt friedliches Gedaddel mit dem Ball, ebenfalls zum lockeren Einstieg in das Training. Erstaunen bei den Spektanten. Weit und breit ist auf dem Sportplatz am Steinwiesenweg, auf dem die Kicker des Kiezclubs ihrer Profession nachgehen, kein Tor zu sehen. Einer ganz normalen Wiese im Stadtpark gleich erscheint das Gelände, nur hie und da ein paar Kegel aufgestellt. Will Seppo Eichkorn, der Cheftrainer des Vereins, durch solcherlei psychologische Mätzchen den Druck von den Spielern nehmen, die in dieser Saison eh ein gestörtes Verhältnis zu solcherlei Ge-
1bälk haben. Ist der Mann, der Michael Lorkowski am 23. September des Vorjahres ablöste, etwa der gleichen Meinung wie der Taxi-Fahrer, der uns zu der Probeanlage des Kiezklubs brachte: „Fußball spielen können die Jungs, nur im Kopf stimmt etwas nicht.“ Während sich Robert Nikolic und Martin Driller den Ball zuköpfen, das Rundleder von Bernhard Olck ziemlich elegant mit den Schultern weitergeleitet wird, erinnern sich Klaus Thomforde und Jens Richwien daran, daß sie, die Hüter des Millern-Tores, ohne selbiges ziemlich doof dastehen und holen aus einem entfernten Winkel des Platzes ein Aluminium-Tor.
„Kommen!“, klingt es über den Trainingsplatz, nachdem auch Seppo Eichkorn in Kollaboration mit dem Platzwart ein weiteres Gehäuse aufgebaut hat. „Torschüsse sollen heute geübt werden“, äußerte sich Seppo Eichkorn, der es angesichts der sommerlichen Temperaturen und des schweren und mit Punktgewinn überstandenen
1Auswärtsspiels in Mannheim beim donnerstaglichen Training etwas ruhiger angehen lassen wollte, nach dem Training. Abstiegskampf, der Kampf um den eigenen Arbeitsplatz, Kampf bis zum Umfallen auch und gerade im Training. Klischees die in sogenannten englischen Wochen nicht zutreffen auf Deutschlands Profi-Bolzplätzen. Einzig Klaus Ottens und Joachim Phillipkowski beteiligen sich nicht am treiben auf dem Steinwiesen-Fußballplatz. Ottens hat ein leicht lädiertes Knie und Phillipkowski ist ebenfalls nicht fit und schaut dem Training nur zu.
Kaschumba, Schüsse aus 20 Meter Entfernung werden geübt, die spielenden Kinder hinter den beiden Toren, in denen zwischenzeitlich Richwien und Thomforde ihren Platz eingenommen haben, können sich als Ballholer betätigen. Und sie sollten noch mehr zu tun bekommen. Wohl wissend, was das Manko seiner Equipe ist, an welchen Situationen sich die Zuschauer im Wilhelm-Koch-Stadion
1am häufigsten die Haare raufen müssen, wählt Eichkorn die nächste Übung aus: Das Verwerten von Flanken alleinstehend vor dem Torwart. Frank Wolf schießt auf der einen Seite den Ball von Links in die Mitte, auf der anderen betätigt sich „Eisen“-Dieter Schlindwein. Das Repertoire an Flüchen überrascht — die verwerteten Flankenbälle indes nicht.
Graziös hebt „Pumuckel“ Markus Aerdken zum Seitfallzieher ab, eine Situation aus der er so gerne einmal am Millerntor einen Treffer erzielen würde, doch das Unterfangen scheitert bereits bei der Probe. Die ballholenden Kinder sind weiterhin gut beschäftigt. Olck, Fröhling, Knäbel, Järvinnen und Goch gelingt es unterdessen den Ball auf bravouröse Art und Weise im Tor zu versenken. Momente in denen man anfängt an den Sachverstand des Taxifahrers zu denken und hofft, daß die Sperre im Kopf der Akteure heute abend gegen Mainz ganz einfach weg ist.
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