: Wer muß Angst vor wem haben?
■ Pläne für ein neues Flüchtlingsheim in Friedrichshain beunruhigt Anwohner
Verkehrte Welt in Friedrichshain: Während Deutsche überall im Land die Häuser von EinwanderInnen und Flüchtlingen anzünden, sorgen sich viele Friedrichshainer um ihre Sicherheit, weil in den nächsten Wochen eine neue Flüchtlingsunterkunft in ihrer Nachbarschaft eingerichtet werden soll. „Was mache ich, wenn meine Klamotten geklaut, meine Bude abgebrannt wird?“ äußerte eine Geschäftsinhaberin ihre Ängste stellvertretend für viele.
Das Bezirksamt hatte am Montag abend zum Gespräch geladen, um über die geplante Unterbringung von etwa 400 Bürgerkriegsflüchtlingen und Übersiedlern in der Boxhagener Straße zu informieren. Die Stimmung unter den rund 40 Interessierten war von Anfang an gereizt. Der Bezirksverwaltung wurde vorgehalten, die Veranstaltung komme viel zu spät. Seit Wochen sei die Renovierung im Gange, nur zufällig habe man von Bauarbeitern erfahren, „daß da Asylanten reinsollen“. Dazu Sozialstadtrat Lorenz Postler: „Wir wollten nicht an die Öffentlichkeit treten, bevor wir nicht das Nutzungskonzept vorliegen haben.“ Das sieht immerhin einen Wachdienst für die Unterkunft vor, „aufgrund der Vorkommnisse der Vergangenheit“, wie sich der Geschäftsführer der Betreiberfirma „CAD-Speed“ ausdrückte.
Doch nur die wenigsten der Anwesenden hatten Angst um die zukünftigen Nachbarn: „Wir brauchen Schlösser für unsere Haustüren“, „Dann sitzen hier überall Leute rum“, und „Herrscht hier nachts um zehn dann wirklich Ruhe?“ äußerten die besorgten BürgerInnen. Die VertreterInnen der Bezirksverwaltung mühten sich nach Kräften, die Vorurteile auszuräumen – mit zweifelhaftem Erfolg. Bezeichnend war die Reaktion der Geschäftsinhaberin auf den Hinweis eines Polizeisprechers, die Kriminalitätsrate steige durch die Anwesenheit von Flüchtlingen erfahrungsgemäß nicht: „Das nützt mir aber nichts!“
Eine weitere Informationsveranstaltung und eine Flugblattaktion sind geplant, doch „alle zu erreichen ist illusorisch“, meinte die Ausländerbeauftragte Ulrike Elchmann. Das bestätigte ein Jugendlicher: „Bei mir in der Nachbarschaft haben sie sich schon Luftgewehre besorgt.“ Ulrich Jonas
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