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Vorschlag

■ Die Demontage des Liebhabers Ein Film über Rock Hudson im fsk-Kino

Eine meiner Freundinnen nannte ihn immer den „eleganten Nußknacker“, wenn er – im feinen Dunkelblauen – Doris Day oder Dorothy Malone eher hölzern denn leidenschaftlich umarmte. Rock Hudson plapperte sich als mutterfixiertes Heiratsobjekt durch Douglas Sirks Sex Comedies der Sechziger, mal ganz an weibliche Fürsorglichkeit appellierender Trottel, mal luftiger Tunichtgut, fast immer aber hinreichend betucht. In die Traumwohnzimmer, auf das gute Sofa zwischen Tütenlampe und Resopaltischchen, haben ihn Produzenten, Publikum und die adretten Gattensucherinnen des Hollywoodfilms jener Dekade noch immer bekommen, anderes als „Trautes Heim, Glück allein“ war im Kodex konservierender Komödien auch nicht vorgesehen. Der schwule Rock Hudson spielte „die größte Rolle seines Lebens“ (Michael Althen) jedoch vor der Öffentlichkeit – als heterosexueller Liebhaber, und das tat er, auch im strikten Bemühen, seine private Sphäre zu schützen, mit einiger Würde.

Der 1925 in Winnetka/Illinois als Roy Fitzgerald geborene Hudson kam 1948 nach Hollywood, wo er zu eben jenem Typ des smarten, aber sauberen Lovers aufgebaut wurde, dessen Maske er 40 Jahre lang nahezu perfekt aufrechterhielt. Hudson ist sogar eine Ehe eingegangen, um seinem öffentlichen Image das ihm gemäße biographische Futter zu unterlegen. Sieben Jahre nach Hudsons Aids-Tod von 1985 hat Mark Rappaport in „Rock Hudson's Home Movies“ die Zerlegung des homogenen Starbildes in ein Puzzle unternommen. Eine Sezierung der – bei genauem Hinsehen zwar sichtbaren, aber nie offiziellen Sub-Leinwandpersona, deren separate Wahrheiten eine neue und nicht eben glatte ergeben.

Das Verfahren ist eines, das unter anderem Robert Wilson schon vor Jahren auf der Bühne praktizierte und Rappaport hier in ein 16-mm-Video übersetzt: ein Verlangsamen von Bildern in Ausschnitten bis zum gänzlichen Stillstand. Die amerikanisch cleane Zweideutigkeit der Sex Comedy schlägt so, szenisch präzise fragmentiert und damit grobkörnig gemacht, in eine Zweideutigkeit geschlechtlich monolithischen Stardoms um. Die spannendste Sequenz ist eine Schnittfolge laufend unterbrochener Küsse: Hudson und Doris Day, Hudson und Lauren Bacall, Hudson und Syd Charisse, die in einem Memento mori an Mardi Gras gipfelt – das „Falsche“, meist Unstimmige der Situation wird in der absurden Redundanz des konventionell Richtigen transportiert. Die „Denver Clan“-Serien von 1985, in denen er Starlets wie Linda Evans assistieren mußte, zeigten Hudson dann schon als unheilbar Kranken, dessen Rollensimulation die Todesnähe reichlich bittere Nonchalance verleiht.

Die Differenz zwischen dem Idol Hudson und seiner als „offenes Geheimnis“ gehandelten privaten Existenz dient in „Rock Hudson's Home Movies“ mal nicht als subtile Hohnangel. Das ist Mark Rappaport, der sich wohl seiner eigenen Ambivalenzen zu stark bewußt war, nicht hoch genug anzurechnen. In „Rock Hudson's Home Movies“ wird nicht jenes postmortale, altkluge und immer ein wenig latent schadenfrohe Outing betrieben, das unzählige biographische Versuche in die Nähe der Peinlichkeit rückt. Rappaport erzählt einfach eine Liebesgeschichte, in der Hudson, dargestellt von Eric Farr, seine Lebenslüge fiktiv bereut: ein selbstironischer Wunschtraum der Gegenwart an die Vergangenheit. Und letztlich ist es wohl unerheblich, wer an ihr beteiligt ist, solange es eine Liebesgeschichte bleibt. Anke Westphal

Mark Rappaport: „Rock Hudson's Home Movies“, USA 1992, 63 Minuten. Bis zum 30. Juni im fsk-Kino, Wiener Straße, Kreuzberg.

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