: Innensenator Heckelmann gegen Zweistaatlichkeit
■ Turbulente Diskussion in der Technischen Universität über die Lage der Ausländer / Junge Türken wollen doppelte Staatsbürgerschaft aus Angst vor Rechtsextremisten
Er sei ein „Undemokrat par excellence“, mußte sich ein junger Mann am Mittwoch abend von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) anhören. Denn immer wieder versuchte er aus dem Zuschauerraum des Audi-Max in der Technischen Universität (TU) heraus, seine Meinung kundzutun: „In der Berliner Polizei gibt es sechzehn Prozent Rechtsextremisten“, rief er ohne Mikrophon in die Runde. Er hätte zum Mikrophon gehen sollen, vielleicht wäre er dann vom Innensenator ernster genommen worden.
Zweieinhalb Stunden dauerte am Mittwoch abend die vom Innensenator, der Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) und dem Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder bestrittene öffentliche Diskussionsveranstaltung zur Lage der Ausländer in Deutschland. „Ist Deutschland in der Lage, seine Minderheiten zu schützen?“, hieß eine Frage, und „Was bringt Gegengewalt?“ eine andere.
Wie der Rechtsstaat die hier lebenden Ausländer wirklich wirksam vor rassistischen Anschlägen schützen könne, wenn selbst innerhalb der Polizei solche Tendenzen auftauchten, war eine immer wiederkehrende Frage, insbesondere von jungen Türken. Heckelmann stellte sich unter lautstarken Protesten und Pfeifkonzerten aus dem Zuschauerraum voll und ganz vor die Berliner Uniformierten und wischte die Vorwürfe ruck, zuck vom Tisch: „Wir werden massiv aufrüsten, gegen linken wie rechten Extremismus gleichermaßen.“ Außerdem gebe es in Berlin bereits ein einzigartiges Schutzsystem, das er jedoch nicht näher ausführen wollte. An diesem Punkt brach selbst auf dem Podium ein Wortgefecht los. Strieder zog Parallelen zu der Aufrüstung der Exekutive gegen den Linksextremismus der siebziger Jahre und fragte, „wo bleiben denn die Straßensperren und Hubschrauberüberwachungen, um die Skins verfolgen zu können?“
Die am selben Tag vom Bundeskanzler in einer Regierungserklärung abgelehnte Mehrstaatlichkeit war auch in der Diskussion ein immer wieder auftauchender Streitpunkt. Während sich Strieder für eine doppelte Staatsbürgerschaft für Einwanderer der ersten und zweiten Generation aussprach, votierte Heckelmann dagegen, aber für eine leichtere Einbürgerung. Mit ihrer Geburt in der Bundesrepublik sollten die Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, sagte er unter Pfiffen und Buhrufen, „dann aber auch nur diese“. Und er ergänzte, daß er einleuchtende Gründe für eine Mehrstaatlichkeit bisher noch von niemandem gehört habe. Im Publikum kam dies nicht sehr gut an. „Soll ich mich nach einer Nur-Einbürgerung als Deutscher fühlen“, fragte ein junger Türke, schließlich habe er in der Türkei seine Wurzeln. Ohne einen entsprechenden Paß würde er in der Türkei zum „Fremden und Ausländer“ werden. Andere erklärten, daß sie angesichts des fremdenfeindlichen Klimas in Deutschland möglicherweise irgendwann einmal gezwungen sind, auszuwandern. „Dann ist meine türkische Staatsangehörigkeit Gold wert“, meinte eine hier geborene und aufgewachsene Türkin.
Auch Sozialsenatorin Stahmer mußte sich mit Vorwürfen aus dem Publikum auseinandersetzen. Sie würde die Rechtsradikalen verharmlosen, wenn sie von „Rattenfängern“ statt von „faschistischen Extremisten rede“, empörte sich ein türkischer Schüler. Viele forderten statt einer Ausländerbeauftragten eine eigene Senatsstelle für Ausländerfragen.
Bei der Diskussion fehlten völlig organisierte türkische Gruppen. Sie waren zwar eingeladen, aber weil „Reden nichts bringt“, sagten sie ihr Kommen ab. Jörg Welke
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