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Das Alte geht, das Alte kommt

Schauspielstudenten der Hochschule „Konrad Wolf“ spielen Brecht im Studio des Berliner Ensembles  ■ Von Von Petra Kohse

„Ich saß auf einem Hügel und sah das Alte kommen. Doch siehe, es kam als das Neue an“, schrieb Brecht einst. Jetzt sitzt er sicher auf Wolke sieben und grinst. Denn wieder einmal hat er recht gehabt. Wobei das Alte nicht immer das Schlechteste ist. Was zu beobachten ist in der Studiobühne des Berliner Ensembles. Während man dort auf der Hauptbühne mit vereinten Kräften den Staub der vergangenen Jahrzehnte herausinszeniert, holt man sich nämlich als Gastspiel das liebgewordene Gewohnte durch den Seiteneingang wieder herein.

Schauspielstudenten der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ spielen Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“. Regie führte Carmen-Maja Antoni, die lange Jahre, erst in der Volksbühne und dann im Berliner Ensemble, durch die Hohe Schule der vorzeigenden Darstellungskunst gegangen ist. Es ist noch nicht lange her, daß am Bertolt- Brecht-Platz der Marketender- Karren der Anna Fierling nach jahrzehntelanger Beanspruchung eingemottet wurde. Jetzt wird er – in schlichterer Variante – wieder im Kreis gezogen, das gute Stück, Kapitalanlage der Mutter Courage im Dreißigjährigen Krieg. Die Geschichte hat sich herumgesprochen: wie Anna Fierling im Krieg alle drei Kinder verliert und doch den geschäftsschädigenden Frieden fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Am Ende zieht sie ihren Karren alleine weiter, ihre List und resolute Härte haben sie nicht davor bewahrt, der Kampfmaschinerie, von der sie lebt, ihren Tribut zu zollen.

Antoni hält sich streng an das epische Prinzip. Zwei schwarzweiße Todesboten kündigen die Schauplätze an, das Geschehen vollzieht sich auf leerer Bühne, das Spiel ist akkurat und unmißverständlich und stets an die Zuschauer gerichtet. Christina Große zeigt Anna Fierling. Sie führt die Bruchstelle zwischen überlebensnotwendiger Tatkraft und mutterliebendem Schmerz klar und überzeugend vor. Ein Bratkartoffelverhältnis verbindet den Feldprediger mit der Courage. Diesen Zweckmoralisten spielt Stephan Großmann mit einiger Selbstironie und einer herrlich verklemmten Lüsternheit. Allein wie er es schafft, mit riesigen schwarzen Birkenstocksandalen würdevoll über die Szene zu stolzieren, ist sehenswert. Neben ihnen fällt Jeannette Arndt auf. Hemmungslos kreischend und lustvoll geldgierig, karikiert sie die Feldhure Yvette, ohne sie zu denunzieren.

Die reine Torin dagegen ist die stumme Kattrin, selbstlose Tochter und Märtyrerin des Stücks. Regine Seidler spielt sie kindlich, mit aufgerissenen Augen und jungenhafter Schlaksigkeit. Ihre großen Szenen verpuffen jedoch. Als sie ein Kind aus dem brennenden Haus rettet, wird die Leidenschaft, das Erglühen und Verlöschen in dieser Tat nicht spürbar. Und als sie die Stadt Halle rettend wachtrommelt und dafür mit dem Leben bezahlt, muß Regine Seidler im Dunkeln über den Zuschauern sitzen. Und selbst wenn sie sich die Seele aus dem Leib gespielt hätte – es wäre unbemerkt geblieben.

Sehr rhythmisch und auf die körperliche Ausdruckskraft konzentriert ist die Inszenierung Antonis ingesamt, nur wenige Szenen bleiben unscharf. Neu ist es zwar nicht, was die Studenten zeigen, aber auch die Kriegsdoppelmoral hat sich nicht geändert. Warum also sollte man dieses Stück anders spielen, wenn es so immer noch wirksam ist?

Weitere Aufführungen am 24.–27.6. (20 Uhr) in der Studiobühne des Berliner Ensembles, am 10. (19.30 Uhr) und 11.7. (17 Uhr) im Hans-Otto-Theater Potsdam und vom 14. bis 16.7. (21 Uhr) in der Kulturbrauerei.

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