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Die Meister des Boykotts Von Andrea Böhm

„Ich kaufe, also bin ich“, soll der erste amtlich erfaßte Shopoholic in den USA gesagt haben, bevor er sich mit Hilfe der Akupunktur in eine Schaufensterpuppe umwandeln ließ. Die USA sind das Land der Kauf- und Konsumlust und -sucht; das Land, in dem das Leben auf fremden Planeten in den Einkaufszentren getestet wird – mit künstlichem Licht, künstlicher Luft, künstlichem Lächeln, Sonderangeboten und Verkehrsstaus in der Tiefgarage.

Dieses Klischee ist nicht billig, sondern wahr, und führt zu einem scheinbar bizarren Nebeneffekt: Der Homo americanus als solcher ist gleichzeitig ein kunstvoller Konsumverweigerer und Meister des Boykotts. Wenn ihm oder ihr die Politik des Cola-Produzenten, der Bierbrauerei oder des Kosmetikkonzerns nicht passen, dann werden eben die entsprechenden Produkte aus der Einkaufstasche verbannt. Für den politisch korrekten Shopper empfiehlt sich ein Abonnement der Fachzeitschrift für den Boykotteur, die National Boycott News – wobei jeder selbst definieren darf, was „politisch korrekt“ ist.

Der letzten Ausgabe zufolge sind derzeit Waren und Dienstleistungen von über hundert Unternehmen mit Bann belegt. Diese Zahl ist allerdings nach oben unbegrenzt, wenn man den Boykottaufruf der Organisation „Help Save America For Our Kids' Future“ befolgt. Die Gruppe propagiert den protektionistischen Fundamentalismus und will alle Produkte nicht- amerikanischer Firmen verbannen. Der Boykott läuft seit 1989 – bislang ohne den gewünschten Erfolg.

Seit Mai 1990 wirbt die Interessenvertretung der Schußwaffenbesitzerinnen „Women and Guns“ für ihren Boykott gegen die Kosmetikfirma „Estee Lauder“ – nicht, weil letztere immer noch keinen kugelsicheren Lidschatten entwickelt hat, sondern weil das Unternehmen sich öffentlich für restriktivere Waffengesetze eingesetzt hat. Amerikaner irischer Abstammung dürfen, wenn sie wahre Iren sind, weder Autos der Marke „Ford“ noch Uhren von „Timex“ kaufen, weil beide Unternehmen nach Angaben des „Irish National Caucus“ in Nordirland Katholiken diskriminieren.

Am meisten Muskeln zeigt der gesamtideelle Boykotteur in den USA, wenn es gegen die Fremdenverkehrsbranche geht – aus welchen Gründen auch immer. Der Bundesstaat Arizona büßte innerhalb von drei Jahren 190 Millionen Dollar an Einnahmen aus der Tourismusbranche ein, weil die Bürger zum Ärger afro-amerikanischer Organisationen einen Feiertag zu Ehren Martin Luther Kings ablehnten. Nachdem über 160 Institutionen und Verbände geplante Tagungen und Konferenzen in Arizona abgesagt hatten, kapierten die Einheimischen, daß es billiger kommt, dem schwarzen Bürgerrechtler einen Feiertag zu gewähren.

Der Bundesstaat Alaska hat sich hingegen bei den Umweltschützern mit dem Ansinnen in die Nesseln gesetzt, mehr Jagdsportler in den hohen Norden zu locken, indem man vorher aus Helikoptern sämtliche Wölfe abknallt, die sonst bei der Pirsch stören würden. Die „Wolf Action Group“ rief prompt zum Tourismusboykott auf. Der Staat Alaska muß sich jetzt entscheiden, ob er lieber von bewaffneten oder unbewaffneten Touristen boykottiert werden will.

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