: Die Frau als Kästchen & Kern
■ Schröders Behältnisse / Künstliche Führungen von und mit Thealit
Die Künstlerin heißt Schröder. Einfach nur Schröder. Sie hat kleine Holzskulpturen in verschiedenen Farben, die verteilt sie im Raum und verschwindet wieder. Die Objekte kann man öffnen, dann sind es Pakete — denn innen sind Aussparungen, darin liegen komische Sachen. Aus China. Ein Staubwedel, eine zweischwänzige Peitsche, eine handgewebte Damenbinde. Wie Fetische. Sie alle haben ihr Geheimnis, und Schröder erklärt es nicht. Es gibt auch Paketepakete, die sind noch zugenäht von der Reise aus China, die Monate dauerte. Wegen der Post. Die anderen Pakete waren in Paketen, bis auf ein Paket mit einer Ausbeulung, das geöffnet werden kann, darin ein krummer Sack mit irgendetwas; ein Zettel ist aufgeklebt: Dem chinesischen Transportwesen entspricht der Sack auch mit Loch / im internationalen Transfer kann ein Loch / nicht akzeptiert werden / wohl aber die Beule / im Rand vom Loch: Wüstenstroh (Information für den deutschen Zoll)
Schröders „Behälterskulpturen“ im KünstlerHaus am Deich könnte man goutieren oder vergessen, wäre da nicht die ausgeschlafene Veranstaltungsreihe des Frauenkulturhauses TheaLit: „Konzept Art von Frauen“. Die Frauenkulturfrauen haben sich einen „Kunstgriff“ ausgedacht, um eine neue Art der Führung zu installieren: „Künstliche Führungen“. Die Führung ist das Event und wird von ebenfalls künstlerisch arbeitenden Frauen vorgenommen, und das kann so aussehen, daß ein Publikum vor den Ölbildern einer finnischen Malerin steht und Striche zeichnen muß, wie neulich im Cafe Grün.
Zum Beispiel die künstliche Führung von Friederike Janshen (Hamburg) in Schröders Ausstellung letzten Dienstag: Sie hielt eine Rede über Post- und Frachtgüter und reisende Skulpturen. Über das Transportwesen. Über Innen und Außen. Über Kästchen.
Kästchen, findet die Hamburger Psychologin und Musikerin Insa Härtel, künstliche Führerin am Donnerstag, haben viel mit Frauen zu tun. Sie wird Freud zitieren mit seinem kleinen Aufsatz „Das Motiv der Kästchenwahl“, darin geht es um das Kästchen in Märchen und Mythos, Drama und bildender Kunst (Frau als Kästchen, der weibliche Körper als Behältnis, der unberührte Kern ...).
Wenn man, wie das schon in Hamburg gemacht wurde, Schröders Arbeiten mit wahrhaft chinesisch anmutender Kunst (z.B. Kalligraphien) in Verbindung bringt, entdeckt man Verwandschaft. Schröder ist gelernte Sinologin, studierte Künstlerin und Initiatorin eines Künstler-Austauschprogrammes Hamburg-Hangzhou (VR China). Dort lebte sie 2 1/2 Jahre lang und pinselte nicht. Stattdessen entwickelte sie eine ganz eigene Zeichensprache aus eigenen und fremden Objekten und arbeitete eher als Bildhauerin. Ihre Skulpturen verschickte sie (verpackt oder unverpackt) als Postfracht nach Hause. In Bremen sind die Behälterskulpturen nun in der langgestreckten Galerie des KünstlerHaus am Deich auf dem Boden verteilt und warten auf künstliche Führerinnen, die mit ihnen machen, was sie wollen. BuS
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