piwik no script img

Millionen Tonnen Müll in die Luft gepustet

■ Standorte für Müllverwertung und -verbrennung werden festgelegt / Hassemer will modernste Technik verwenden

Als geradezu revolutionär feiert Umweltsenator Volker Hassemer (CDU), was ihm aller Wahrscheinlichkeit nach jede Menge Ärger einbringen wird. Er legte gestern zum ersten Mal die Grundzüge eines Müllrecyclingkonzepts für die Stadt vor. Darin sind auch die Standorte für vier Verbrennungsanlagen enthalten, in denen künftig der Berliner Müll um eine Million Tonnen pro Jahr reduziert werden soll. Zweihundert potentielle Standorte in der Stadt wurden in den letzten beiden Jahren im Auftrag des Senats von einem Ingenieurbüro untersucht. Sechs kamen in die engere Auswahl:

– das Gewerbegebiet Marzahner Straße

– der Standort der alten Müllverbrennungsanlage Lichtenberg

– das Gelände neben dem Kraftwerk Rummelsburg

– das Gelände der Umladestation Süd der Berliner Stadtreinigung an der Gradestraße sowie ein Gelände nördlich dieser Straße

– das Gelände zwischen der Regionalbahn und der E55/A1 in Pankow-Nord.

Auf drei bis vier dieser Standorte sollen nach Hassemers Vorstellungen Anlagen mit einer Verbrennungskapazität von jeweils 300.000 Tonnen Müll pro Jahr installiert werden. Der Senator weiß, daß dieses Vorhaben auf erhebliche Bedenken bei den Anwohnern stößt. Gestern versicherte er, daß die „Anlagequalität in vollkommender Offenheit diskutiert“ werden muß. Jede Form der Emission und der Verkehrsberechnung, so Hassemer, werde offengelegt, und es werden auch ganz neue Verfahren der Müllverbrennung in die Überlegungen einbezogen.

An den fünf Standorten soll der Müll nicht nur verbrannt, sondern auch wiederverwertet werden. Für Recycling sind zudem 20 weitere Areale in der Stadt vorgesehen, die entsprechenden Pläne werden nun mit den Bezirken abgesprochen. Hassemer hofft, daß die Beratungen in einem halben Jahr beendet sein werden und im Frühjahr 1995 der erste Spatenstich erfolgt. Durch die Anlagen wird nach Einschätzung des Umweltsenators erreicht, daß von der in der Stadt anfallenden Müllmenge nur noch acht Prozent deponiert werden muß. Zur Zeit liegt diese Quote beim Zehnfachen. 2,7 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle fallen zur Zeit an, davon wurden 1992 500.000 Tonnen getrennt erfaßt und einer stofflichen Verwertung zugeführt. Bis zu 400.000 Tonnen werden in der Anlage Ruhleben verbrannt, der Rest landet auf Deponien in Brandenburg. Diese sind jedoch nur noch zeitlich befristet nutzbar.

Durch den Ausbau von Vermeidungs- und Verwertungsstrategien soll bis zum Jahr 2000 das Restabfallaufkommen auf 1,4 Millionen Tonnen reduziert werden. Diese Planung setzt unter anderem die flächendeckende Umsetzung des Dualen Systems voraus, das zur Zeit mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Von den trotzdem verbleibenden 1,4 Millionen Tonnen Müll sollen eine Million Tonnen dann in den neu zu errichtenden Anlagen verbrannt werden. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen