: Winzling mit großer Wirkung
■ Hamurger Schwule und Lesben feierten den Christopher-Street-Day
Auf der Mönckebergstraße gab es Geschenke, die das Leben verändern könnten: „Dieser Bonbon macht schwul“ war auf den Drops zu lesen. Bisher ist nicht bekannt, ob dadurch neue Männerbeziehungen begründet wurden. Immerhin wurden so auch eilige PassantInnen auf den Christopher-Street-Day aufmerksam, der am 16. Juni auf dem Gerhard-Hauptmann-Platz gefeiert wurde.
Damit gedachten Hamburger Homosexuelle eines Ereignisses, das vor 24 Jahren in New York stattfand. Dort gingen am 27. Juni 1969 nach einer Polizeirazzia in der Szenebar „Stonewall“ erstmals Schwule und Lesben für ihre Rechte auf die Straße. Mit Flaschen und Steinen bewarfen sie die Polizisten, die mehrere Barbesucher festnehmen wollten. Der Aufstand in der Christopher-Street war der Anfang der schwul-lesbischen Bewegung und wird seitdem in der ganzen Welt – meist friedlich – gefeiert.
Das Hamburger Fest ist eher winzig. In Paris gingen dieses Jahr über 10000 und in London 50000 auf die Straße. Auch in Berlin werden morgen mehr als 50000 DemonstrantInnen erwartet. Am Gerhard-Hauptmann-Platz versammelten sich dagegen nur etwa 500 Leute. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir als Schwule alles tun, was möglich ist“, sagt Rolf Winiarski von der Schwulenberatungsstelle des Magnus-Hirschfeld-Centrums. „Wir werden unserer Rolle kaum gerecht, wenn von 80000 Schwulen und Lesben in Hamburg so wenige kommen.“
Und statt einer Demo gab es ein Straßenfest. „Das ist die angemessenere Form für Hamburg“, sagt Rüdiger Hülskamp vom schwulen Infoladen „Hein & Fiete“.
Im Forderungskatalog der Veranstalter stand die Sicherung gemeinnütziger schwul-lesbischer Projekte und der Pflege von Aids-Betroffenen. Zudem soll der Senat sich auf Bundesebene für die Entdiskriminierung und Gleichstellung homosexueller Menschen einsetzen.
Zumindest zwei Parteien konnten diesen Aufruf direkt mitnehmen. Beim letzten Straßenfest vor einem Jahr nicht vertreten, entdeckten sie jetzt, kurz vor der Bürgerschaftswahl, die schwul-lesbische Minderheit. Unter einem SPD-Sonnenschirm präsentierten sich die „Schwusos“, und einige Meter danben stand die neugegründete Arbeitsgruppe „Schwulen-Lesbenpolitik“ der Grünen/GAL.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Christopher-Street-Day im Magnus-Hirschfeld-Centrum gab es sogar ein Wahlkampfversprechen, von dem Hamburgs Schwule profitieren dürften. Sowohl Petra Brinkmann von der SPD als auch Heino Vahldiek von der CDU versprachen, ihre Partei werde die Stelle eines Kontaktbeamten für Schwule bei der Polizei einrichten. Bis vor kurzem noch war diese in Berlin und anderen Städten seit langem erfolgreiche Institution in Hamburg für überflüssig erklärt worden. Da die Zahl von Gewalttaten gegen Schwule in den letzten Wochen stark zugenommen hat, bleibt zu hoffen, daß sich die Parteien auch nach der Wahl noch an dieses Versprechen erinnern.
Werner Hinzpeter
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