piwik no script img

Sarajevo gegen UN-Schutzzonen?

Bosnisches Präsidium ist „für neue Ideen offen“ / Gleichberechtigung der Volksgruppen muß garantiert sein / Tauschgeschäft der bosnischen Serben nicht eindeutig abgelehnt  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Offensichtlich flexibler in seiner Haltung zu den serbisch-kroatischen Dreiteilungsplänen für Bosnien-Herzegowina als Präsident Alija Izetbegović, jedoch ohne sich zunächst konkret festzulegen, hat das bosnische Präsidium gestern seine Genfer Gespräche beendet, und ist nach Zagreb gereist.

In der kroatischen Hauptstadt soll heute eine Vollsitzung des Präsidiums auch mit Beteiligung von Izetbegović und seinen Vizes Ejup Ganic stattfinden. Am Samstag will das Präsidium – möglicherweise nach einem Zwischenaufenthalt in Sarajevo – in Brüssel mit den Außenministern der EG- Troika (Dänemark, Belgien, Großbritannien) zusammentreffen. Am Montag sollen die Genfer Gespräche fortgesetzt werden. Serben und Kroaten vermieden es auch gestern, in Genf Karten und konkrete Details für ihre Aufteilungspläne vorzulegen.

Nach Aussagen der sieben nach Genf gereisten Präsidiumsmitglieder auf einer Pressekonferenz erfuhren sie bei ihren Gesprächen „nicht mehr“ von den Kroaten, Serben oder den beiden Vermittlern David Owen und Thorvald Stoltenberg als Präsident Izetbegović am Mittwoch letzter Woche. Während der bosnische Präsident Izetbegović jedoch die ihm damals vorgelegten Grundzüge einer Dreiteilung Bosnien-Herzegowinas prinzipiell zurückwies und Verhandlungen auf dieser Grundlage ablehnte, zeigten sich die sieben Präsidiumsmitglieder offener. Zwar betonten sie, der ursprüngliche Vance-Owen-Plan sei „keineswegs tot“. Jedoch müsse dieser Plan „weiterentwickelt und transformiert werden“, bis die Zustimmung aller drei bosnischen Kriegsparteien erreicht sei. Das Präsidium sei „für alle neuen Vorschläge offen“.

Der am Dienstag für die Zeit des Genf-Aufenthalts zum Interimspräsidenten bestimmte Kroate Franjo Boras lehnte den „Kompromißvorschlag“ des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić kategorisch ab, wonach die Muslime Sarajevo „für sich behalten“, dafür aber die ostbosnischen Enklaven Goražde, Srebrenica und Zepa an die Serben abtreten sollen.

Karadžić hatte diesen Vorschlag zwar bislang nicht offiziell in Genf auf den Verhandlungstisch gelegt, erläuterte ihn aber in der Nacht zum Donnerstag in einem Interview mit der BBC. Die Umsetzung dieses Vorschlages erforderte die Umsiedlung von mindestens 200.000 Muslimen. Der Premierminister Bosniens, das kroatische Präsidiumsmitglied Mile Akmadic, lehnte dieses Konzept gestern allerdings nicht eindeutig ab. In einem Gespräch mit der taz erklärte Akmadic, solange diese Umsiedlung „freiwillig“ erfolge, sei dagegen nichts einzuwenden. Auf die Frage, wie das Präsidium sich zu den Vorstellungen der Serben und Kroaten verhalten könne, solange diese nicht in detaillierterer Form vorgelegt würden, antwortete Akmadic: „Das ist gar nicht nötig. Das Dreiteilungskonzept liegt bereits seit Lissabon in ausreichend präziser Form vor, so daß drüber verhandelt werden kann.“ Auf einer damals von der EG einberufenen Jugoslawienkonferenz im Mai 1992 hatte der damalige EG-Vermittler Lord Carrington ein Dreiteilungsmodell vorgelegt.

Karadžić und der bosnische Kroatenführer Mate Boban, die gestern nachmittag im Genfer UNO-Palast zusammentrafen, erklärten übereinstimmend, es gebe noch keine „gemeinsame“ Karte. Hinter dieser Verzögerung bei der Vorlage der eigenen Pläne steckt zum einen die Strategie, den Muslimen zunächst das grundsätzliche Ja zum Dreiteilungskonzept abzuzwingen.

Zum anderen verlangt Karadžić, daß nicht nur er einen Teil der von den bosnischen Serben eroberten Territorien an die Muslime zurückgibt, sondern daß auch die bosnischen Kroaten den Muslimen einige Kleingebiete der zentralbosnischen Provinz Mostar überlassen. Dieses wurde von Boban gestern jedoch strikt abgelehnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen