: Trotziger Optimismus
■ Mit einem Sieg gegen die Türkei erreichten die deutschen Basketballer das Viertelfinale der Europameisterschaft
Berlin (taz) – Es war schon fast tragisch anzusehen, mit welcher Beharrlichkeit der 2,21 m lange Gunther Behnke aus luftiger Höhe versuchte, den Ball im kroatischen Korb zu versenken. Immer wieder fuhr jedoch die Hand des vier Zentimeter kleiner geratenen Stojan Vrankovic dazwischen und vermasselte dem verblüfften Behnke den sichergeglaubten Korberfolg. Natürlich ging das Match gegen den übermächtigen Turnierfavoriten Kroatien verloren, die Hilflosigkeit Behnkes und seines Kollegen Christian Welp unter dem Korb war jedoch symptomatisch für das Spiel der Deutschen.
Das Team von Svetislav Pesic war bei dieser Europameisterschaft vor allem dann gut, wenn sich die Center durchzusetzen wußten. Im verkorksten Auftaktmatch gegen Estland hielten 21 Punkte von Welp die Niederlage in Grenzen, beim Sieg gegen Belgien war Gunther Behnke der Mann des Abends, beim Erfolg gegen Slowenien überzeugte Hansi Gnad, und auch im Match gegen die Türkei, das über den Einzug ins Viertelfinale entschied, spielten die Center eine wichtige Rolle. Gnad, gerade rechtzeitig von einer Infektion genesen, zwang die kleineren Türken zu einer Vielzahl von Fouls und warf 8 Punkte, Welp steuerte nach einigen schwachen Partien 15 Punkte zum 77:64-Sieg, damit zum Erreichen des ersten großen Ziels bei: das Viertelfinale, in dem der Gegner Spanien heißt.
„Wenn wir die Türken nicht schlagen, haben wir den Einzug in die Finalrunde auch nicht verdient“, hatte Pesic zuvor gesagt, doch das Team um den wendigen Aydin (19 Punkte) und den baumlangen Saybir (14) erwies sich in der Berliner Deutschlandhalle als harter Brocken. Von ihren Fans unter den 4.200 Zuschauern lautstark angefeuert, hielten die Türken in der Anfangsphase gut mit und führten zur Halbzeit sogar mit 39:38. Nach der Pause waren die Deutschen dann jedoch kaum wiederzuerkennen. Binnen vier Minuten spielten sie einen Zehnpunktevorsprung heraus, den sie sich bis zum Ende nicht mehr abjagen ließen. In dieser Phase kam endlich auch Henning Harnisch, mit 16 Punkten erfolgreichster deutscher Werfer, zu seinen beliebten Dunks, mit denen er das Publikum so gern von den Stühlen reißt.
Nach einer bislang sehr durchwachsenen Leistung bei dieser EM herrscht vor dem Viertelfinale gedämpfter, fast trotzig anmutender Optimismus im deutschen Quartier. „Diese Europameisterschaft hat bisher gezeigt, daß jeder jeden schlagen kann. Deshalb sind wir auch gegen Spanien nicht ohne Chance“, sagt Distanzwurf-Spezialist Michael Koch. Bei den Olympischen Spielen in Barcelona war den Pesic-Mannen mit dem Sieg gegen die Gastgeber einer der größten Erfolge in ihrer Geschichte gelungen, doch da gab es auch einen Detlef Schrempf im Team. Der weilt diesmal im fernen Amerika, und es ist niemand in Sicht, der seine Rolle als Motivator und sicherer Punktelieferant übernehmen könnte.
Dies wohlwissend, baute Pesic von Anfang an auf den vielbeschworenen „Mannschaftsgeist“, der tatsächlich immer dann funktionierte, wenn die Mannschaft mit dem Rücken zur Wand stand, sprich: unbedingt gewinnen mußte. Allzu hoch können die Erfolge gegen die zweitklassigen Türken und Belgier sowie die entsetzlich müden Slowenen jedoch nicht bewertet werden. Mit den Spaniern, die bei dieser EM erst eine Niederlage, das 75:76 gegen Griechenland, kassiert haben, wartet am Donnerstag abend in der Münchner Olympiahalle ein Gegner, der nicht nur Gunther Behnke zum Staunen bringen könnte. Matti
Viertelfinale am Donnerstag in München: Deutschland - Spanien, Kroatien - Bosnien- Herzegowina, Rußland - Estland, Frankreich - Griechenland
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