: Geheimzeuge im Schalck-Ausschuß
Unter beispiellosen Sicherheits- und Geheimhaltungsvorkehrungen soll ein iranischer Vermittler dem Bundestags-Untersuchungsausschuß über Teherans Waffenhandel mit der DDR berichten ■ Von A. Famo
Berlin (taz) – Während des ersten Golfkrieges zwischen Irak und Iran belieferte die DDR-Führung, allen Beschwörungen ihrer Friedensliebe zum Trotz, beide Kriegsparteien mit Waffen, Munition und anderem Kriegsgerät. Dazu ließ Alexander Schalck-Golodkowski in seinem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) 1982 eigens die Waffenhandelsfirma IMES installieren. Abschlüsse über Waffengeschäfte mit der Armee und den Revolutionsgarden des Mullah-Regimes waren gewöhnlich nur unter Einsatz erklecklicher Bestechungsgelder für Beamte und Militärs möglich. Obwohl mit Erhard Wiechert, einem ehemaligen Handelsrat der DDR-Botschaft in Teheran, ein ausgewiesener Iran-Kenner die IMES leitete, waren Schalcks Waffenhändler in Teheran auf einheimische Vermittler angewiesen.
Einer dieser Vermittler war der iranische Geschäftsmann Mohammed Hossein Alimoradian. Der Leiter der Teheraner Firma ETEX, dem beste Verbindungen zum iranischen Klerus nachgesagt werden, hat in Westdeutschland studiert, lebt zeitweise in Süddeutschland und vermittelte für DDR-Außenhandelsbetriebe vor allem Elektro- und Energietechnik in den Iran. Mitte der 80er spannte IMES-Chef Erhard Wiechert Alimoradian als Vermittler für Waffendeals ein. Anfangs, so meldete Wiechert als IM „Wolfgang Wagner“ seinem Stasi-Führungsoffizier, habe Alimoradian sich nur zögernd auf die Materie eingelassen. Mit der Zeit scheint der Iraner dann aber an dem tödlichen Business Gefallen gefunden zu haben. Schließlich brachte ihm seine Vermittlung Provisionen in Millionenhöhe ein. So kassierte Alimoradian z.B. im Sommer 1984 für einen einzigen Deal mit Artillerie-Granaten fast eine halbe Million Dollars.
Offenbar hat die Liaison Wiechert–Alimoradian das Ende der DDR überdauert. „Die waren wie Blutsbrüder. Ich kann mir kaum vorstellen, daß die nicht heute noch zusammen geschäftlich aktiv sind“, vermutete ein ehemaliger westlicher IMES-Kunde gegenüber der taz. Der Mann liegt richtig: Im November 1991 gründete Alimoradian die MOHA Grundstücksverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft. Als einzigen Zweck der unscheinbaren Firma verzeichnet das Handelsregister die Verwaltung und Verwertung eines Grundstückes in Ostberlin samt Gebäude. Früher nutzten es die sowjetischen Streitkräfte. Jetzt hat dort die Firma MOHA ihren Sitz – und ganz zufällig auch eine Firma UWIMEX. Betreiber dieser Firma sind, die Zufälle mehren sich, Ex-IMES-Chef Erhard Wiechert sowie Dieter Uhlig, letzterer als Leiter der KoKo-Hauptabteilung II Wiecherts früherer Vorgesetzter und Schalcks oberster Waffenhändler. Ja, er bezahle seine Büromiete neuerdings an Herrn Alimoradian, gestand Wiechert kürzlich kleinlaut im Schalck-Ausschuß.
Am heutigen Mittwoch soll der Waffenvermittler Alimoradian im Schalck-Ausschuß vernommen werden – unter bislang beispielloser Geheimhaltung. Sein Name steht weder auf der Liste der Zeugen-Vorschläge noch auf der Tagesordnung des Ausschusses. Selbst Abgeordnete wurden über den Vernehmungstermin bis zuletzt im unklaren gelassen – was für Alimoradian den Vorteil hat, daß sich die Parlamentarier so gut wie nicht vorbereiten konnten. Die Geheimniskrämerei geht auf Interventionen des Berliner Anwaltsbüros Dankert, Deus & Meier zurück, das Alimoradians Zeugenbetreuung übernommen hat. Kanzleimitglied Peter Dankert vertritt auch Alexander Schalck-Golodkowski und wird in den Kulissen der Berliner Sozialdemokraten als möglicher SPD- Bundestagskandidat gehandelt. Dankerts Büro macht gegenüber dem Ausschuß eine Gefährdung an Leib und Leben des Waffenschiebers geltend. In Deutschland drohe ihm als Waffenlieferant des Khomeini-Regimes Gefahr seitens der oppositionellen Volksmudschaheddin. Der Mullah-Staat wiederum könnte ihn wegen Hochverrats belangen, wenn er vor ausländischen Gremien Insiderwissen über dessen Waffengeschäfte offenbare. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß dem Waffenschieber Details über Provisionen und Bestechungsgelder, die sich offenbar in den Ausschußunterlagen reichlich finden, unangenehm werden könnten. Peinlich könnte Alimoradians Wissen womöglich aber auch für Firmen und staatliche Stellen der Bundesrepublik werden. So könnte er Kenntnisse über die Aktivitäten des Düsseldorfer DIO-Büros besitzen, hinter dessen Fassade iranische Beschaffungsagenten mit Billigung deutscher Behörden dem Waffenhandel nachgehen. Auch über Munitionsgeschäfte westdeutscher und schwedischer Konzerne mit Iran müßte, so glaubt zumindest ein ehemaliger IMES-Mitarbeiter, Alimoradian Bescheid wissen. Nicht zuletzt wird über eine bis heute fortdauernde Geheimdienstconnection gemunkelt. Aber die deutsch-iranischen Beziehungen sind ja seit jeher ein heikles Kapitel Bonner Außenpolitik.
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