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Kindesmißhandlung nur vorgetäuscht?

■ Kinderpflegerin soll Kind an Heizung gebunden haben / Kollegin wurde gefeuert

Die Vorwürfe, die die Kinderpflegerin Florabella F. gegen ihre Kollegin Angela T. erhebt, sind nicht ohne. Wiederholt soll die 27jährige Krippenkindern im Fuhlbüttler Kindertagesheim „Alsterberg“ Stühle auf den Rücken gestellt haben, um sie zum schlafen zu bringen. Auch soll sie am 26. Juni vorigen Jahres ein unruhiges Kind mit einer Windel an die Heizung gebunden haben. Doch nicht Angela T., sondern Florabella F. wurde im November vorigen Jahres vom Vorstand des halbstaatlichen KTH fristlos gekündigt. Begründung: Sie habe ihren Arbeitgeber bei der aufsichtsführenden Behörde fälschlich angeschwärzt.

Gestern nun gewann Florabella F. vor dem Hamburger Arbeitsgericht ihren Prozeß, in dem sie auf Rücknahme der Kündigung geklagt hatte. Die exakte Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, deutlich ist aber, so ihre Anwältin Verena Zahn, daß die Vorwürfe nicht „nachweislich falsch“ sind. Arbeitsrichter Rainer Homann, sichtlich genervt von der Unkenntnis beider Parteien in zivilem Prozeßrecht, ließ zwar entscheidende Belastungszeugen nicht zu Wort kommen (die Berufspraktikantin Tina D. bezeugte gegenüber der taz, daß auch sie gesehen habe, wie Angela T. einem Kind einen Stuhl über den Rücken stellte). Doch schon allein die Aussage der belasteten Kinderpflegerin selbst machte deutlich, daß die Anschuldigungen nicht vollkommen aus der Luft gegriffen sind. Ja, sie habe dem Kind eine Windel an die Hose gebunden, bestätigte sie dem Gericht. Das Stoffstück habe sie dann aber nur um die Heizung herumgelegt und so das Kind überlistet: „Die sehen ja nicht, ob sie festgebunden sind oder nicht“.

Sie sei an diesem Tag im April allein mit den zwölf Krippenkindern im Waschraum gewesen. Ihre Kollegin Florabella F. habe Schule gehabt. Doch die Klägerin bleibt bei ihrer Darstellung. Es sei nicht ein Tag im April, sondern am 26. Juni gewesen, an dem der Junge an die Heizung gefesselt war (“Ich hab das in meinem Tagebuch festgehalten“). Sie habe das Kind dann sofort losgebunden.

Nachdem sich die 20jährige Kinderpflegerin beim Amt für Soziale Dienste beschwert hatte, schaltete sich Ende November die Heimaufsicht vom Amt für Jugend ein. Doch zu einer Klärung der Vorfälle führte dies nicht. Er habe ein „sehr kontroverses Gespräch“ mit dem Heimvorstand und den Erziehrinnen geführt, berichtet der zuständige Aufsichtsbeamte Rudolf Hilbring. Die Leiterin des Fuhlsbüttler KTH lud ihn ein, doch einmal unangemeldet vorbeizukommen. Da er bei diesen Besuchen „keine Anhaltspunkte feststellen konnte, die keinen ordentlichen Betrieb gewährleisten“ sei der Fall für ihn erledigt. Auch die Sache mit den Stühlen habe sich nicht bestätigt: „Die werden nur an die Liege drangestellt“.

Wirklich? Im Arbeitsgerichtsprozeß gestern mittag ging es nur darum zu klären, ob Florabella F. falsche Behauptungen aufstellt, nicht darum, die Vorwürfe gegen Angela T. abschließend zu klären. Strafrechtliche Konsequenzen, so erklärt Behördensprecher Ulrich Vieluf, habe die Sache nur, wenn die Eltern Strafanzeige stellen. So versinkt die Affäre in einer Grauzone, in der Aufsichtsbeamte wohl auch schon mal klammheimlich Verständnis für unkonventionelle Erziehungsmethoden haben. Wenn sich eine Kinderpflegerin nicht anders zu helfen weiß, als die ihr zur Aufsicht unterstellten Kleinstkinder mit, an, unter oder über Möbelstücken zu fixieren .K. Kutter

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