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Selbsterfahrung Modermoor

■ Oldenburger Ausstellung zu einem hermetischen Künstlersymposium im Wittemoor

Wer „Moor“ sagt, raunt die Ethnologin, muß an „Moder“ denken, was ganzohnezweifel auf „Mutter“ verweist, ja: verschlingende Mutter. Im dumpfen Sumpf spüren und riechen und matschen und dampfen und seine Wurzeln finden und leben und sterben und — genau: wiedergeboren werden. Durch die Modermutter noch mal zum Leben: Initiation!

Elf KünstlerInnen zog es ins Moor, wie es immer KünstlerInnen ins Moor zog mit seinen irrlichternen Versprechungen von Archaik und Wahrheit. Vor einem Jahr passierte im Wittemoor bei Oldenburg (das mit dem ausgegrabenen 2000 Jahre alten Bohlenweg) ein internationales Künstler- “Symposium Moor 92“. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen — das Wittemoor steht unter Naturschutz und ist weitgehend unzugänglich. Von vornherein war klar: Man wollte dem Reststückchen Naturmoor nicht noch mehr wehtun. Die Eingriffe waren eher konzeptioneller Natur und wurden für die Nachwelt auf Film festgehalten. Ein durchaus hermetischer Ansatz, in dem die Kunst ihren Platz irgendwo zwischen Selbsterfahrung und Ökologie hat.

Bis Ende Juli zeigt das Stadtmuseum in Oldenburg, was man von der Exkursion ins Moor mitbringen konnte. Fotos und Objekte bieten allerdings nur eine Idee von dem, was mit den KünstlerInnen damals geschah. Etwa als sich Angela Kolter, moorbeschmiert, von Uschi Meyer, moorbeschmiert, die Haare abschneiden ließ. Spontan. Rituell. Dabei saß Angela Kolter auf ihrem aus gestochenem Torf gezimmerten Sessel. Später nahm man Moorsuppe zu sich, von Insa Winkler dargeboten, im von Uschi Meyer gedrehten Schwarzmoorbecher.

John Sturgeon hingegenmachte die Moorleiche, indem er sich am Rand eines Abstichs ins Erdreich wühlte. Und andere Selbstversuche wie den, den er „Moor-Batterie“ nennt: Er steckte Elektroden ins Moor und verband sie mit seinem Kopf. Kraftschwund! Dann: Aufladung! Das Moor als Großes Gedächtnis, „Akkumulator von Erinnerung“.

Nicht nur neoromantisch waren die Zugänge der KünstlerInnen, wiewohl allesamt der Moorachtung verpflichtet: Michael Pestel etwa wandte sich (“Alle Vögel sind schon da?“) bedrohten oder ausgestorbenen Vögeln zu, dem Morneillregenpfeifer, dem Triel, der Doppelschnepfe... Ein Mann natürlich (F.Jörg Haberland) durchmaß das Moor in der Länge, stellte ein Torfhäuschen auf und fotografierte den Verlauf des Bohlenwegs. Lili Fischer indes machte Praktisches: Kopfstützen aus Torf. Bus

„More Moor“, die Ausstellung zum Künstlersymposium, läuft noch bis zum 1. August im Olderburger Stadtmuseum. Öffnungszeiten: Di.-Fr. 9-17 Uhr, Sa. 9-12 Uhr, So. 10-17 Uhr.

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