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Kommunisten im Weltall

„Eolomea“: Science-fiction Ost – die DEFA funkte schon 1972 aus dem Kosmos  ■ Von Anke Westphal

Der Film „Eolomea“ könnte den Kinogänger des postsozialistischen Zeitalters haarscharf schlußfolgern lassen, das Weltall sei für die Erbauer der ersten menschenwürdigen Gesellschaft schließlich auch nichts anderes gewesen als eine einzige Großbaustelle. Im Schulterschluß für die Sache „Zukunft“ sitzen fröhliche Kosmonauten, von lebensweisen Mentoren auch „Jungchen“ genannt, skatkloppend wie die Maurer zwischen weißen Mäusen in einem Weltraumlabor, das in einem früheren Filmleben gut und gern schon als Kulisse für das sächsische Chemiewerk „Leuna I“ gedient haben könnte. Drumherum tropft Plama aus BUNA, zucken Koronen.

„Eolomea“ ist eine Ost-Phantasie, Modell 72, über das Leben, wie es sein würde, wenn sich Welt und All einträchtig in der Hand von Lenins Erben befinden und der Preis der Erkenntnis mitunter noch hoch, aber bezahlbar ist. Hermann Zschoche, der vom DDR-Kulturminister Kurt Hager für viele respektable Filme (u.a. „Insel der Schwäne“) gemaßregelt wurde, führte hier Regie.

Der Anfang zeigt, vielleicht wegen des dialektischen Kontrastes, Natur in Form von Meer, Kakteen und Palmen. Und mittendrin der MENSCH. Wie stolz das klingt: „den Kosmos anrufen“. Das ist schon mal verdammt philosophisch, der Zuschauer merkt es sofort und auch gleich kritisch. Denn der winzige Erdwurm hat einfach keine Lust mehr, der Gemeinschaft zu nützen und den dämlichen Kosmos zu erforschen. Schließlich sei der ja auch nicht viel anders als der „blaue Planet“. „Nie wieder Kosmos!“ und „Noch so 'ne blöde Galaxis!“, brüllt hier ein etwas angekratzter Held im anarchischen Seitensprung mit dem Egoismus.

Lieber will er herumturteln und auch sonst privat den Larry markieren. Doch der Luftikus gerät an eine ebenso sendungsbewußte wie becircende Professorin, in deren Gestalt alle verflossenen Utopien eines DDR-Frauenbildes inkarniert scheinen: schick und schön in Hot Pants und geschnürten Knautschlackstiefeln. Klug, charmant, erfolgreich, dem Fortschritt ergeben, doch mit ungebrochenem Familiensinn – Prädikat „besonders wertvoll“. Das fast perfekte Paar, (denn natürlich ist auch der Charmeur eine nur kurzzeitig vom rechten Wege abirrende Arbeiterseele) besiegt kein richtig Böses, weil es das nicht mehr gibt, richtet aber das nicht ganz Geradlinige, das es noch geben darf. Nicht-antagonistische Widersprüche, allesamt in verliebte BadabadabaMusik von Günther Fischer gebettet. Schon die macht den Film kostbar.

Die Kosmonauten der milde leuchtenden Zukunft dürfen schon mal besoffen, mit löcherigen Socken angetan und Cognac-Flasche in der Hand Weihnachten feiern, denn das demonstriert Volksnähe, zeigt, wie proletarisch das Herz immer noch schlägt. Raumschiffe wie VEB-Kreuzbolzen schwirren durch Spiralnebel und werden dabei auf Bildschirmen observiert, die den magischen Tafeln der Schulzeit nachempfunden scheinen. Rolf Hoppe, der in den DEFA-Indianerfilmen immer die guten Rothäute ermordete, ist als Professor Tal nur ein klein bißchen unlauter und das dann noch im Dienste der Forschung – ebenso entschuld- wie korrigierbar. Wir befinden uns in einer idealen Zukunft, die die Fortsetzung mitmenschlicher sozialistischer Kuscheligkeit und Wärme mit wenig anderen Mitteln ist: „Da ziehe ich nun los, 'ne neue Zivilisation suchen mit zerrissenen Socken.“

„Eolomea“ dürfte nicht nur auf Liebhaber des Genres, die mit Laserkriegen auf der Leinwand aufgewachsen sind, höchst merkwürdig wirken. Wenn die Elemente von SF/West vielleicht Sex, Crime und Kosmos sind, dann konstituierte sich SF/Ost aus erotisierter, filmischer Partnerschaft, positiv lösbarem Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft – und Kosmos.

Soviel guten Willen gab es dann doch kaum im positivsten DEFA- Gegenwartsfilm. Codewort wiederum: „Zukunft“, Moral und Ethik in höchster Blüte eingeschlossen. Der Abstand der Jahre prädestiniert den SF-Film/Ost, der im Gesamtschaffen der DEFA nicht eben überrepräsentiert war, leicht zum Trash-Kult. Allzu drollig wirkt der „Kollege Kosmonaut, der zur Verantwortung gezogen werden muß“, allzu ulkig im nachhinein der Name „Margot“ (sic!) für eine als zwielichtig vermutete außerirdische Basis und die adretten Kosmonautenanzüge aus Silberplaste oder Dederon (entspricht Nylon) mit orange gerafften Puffärmelchen. Die Laserpistolen sehen aus wie verhinderte AKA-Elektrik-Haarföne. Diese heute entzifferbare Sparsamkeit, was westliche pop-kulturelle Bezüge in Kleidung und Ambiente angeht, diese Bescheidenheit in der Requisite von „Eolomea“ sind unverhofft satirische Höhepunkte. So mußte, was das Styling angeht, kein Besatzungsmitglied der „Enterprise“ je leiden.

Besonders bemerkenswert: ein Roboter in Hamlet-Pose und das Kaffeeservice in der Schlußszene. Das Lachen über die technische Niedlichkeit und vermeintliche philosophische Naivität „der anderen“ ist bestenfalls gutmütig – aus einer Perspektive heraus, die es besser zu wissen meint. Allzu vulgärmaterialistisch kommt einem aber auch die Prämisse vor, daß im filmdidaktisch konstruierten Konflikt „Menschenleben kontra Wissenschaft“ beide letztlich harmonisch und familiengründend ineinander aufgehen können. Die Moral der Kommunisten war eben keine der Banditen, schon gar nicht die von time bandits, und auch Professor Tal wird am Ende heimgeholt in den für alle offenen Himmel der fast vollkommenen sozialistischen Persönlichkeiten.

„Eolomea“, DDR/SU/Bulgarien 1972, Regie: Hermann Zschoche; mit Cox Habbema, Rolf Hoppe, Iwan Andonow, 90 Min. Um 20Uhr im FSK, Wiener Straße 20

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