: Ein Shampoo-Hersteller geht baden
■ Dem Gründungswerk der Firma Schwarzkopf in Tempelhof droht die Schließung / Rund 500 Arbeitsplätze in Gefahr / Entscheidung Ende dieses Monats
Über einem der ältesten Industriebetriebe der Stadt schwebt das Damoklesschwert. Das Gründungswerk der Schwarzkopf GmbH in Tempelhof soll nach einem von der Geschäftsleitung in Auftrag gegebenen Zwischenbericht der Unternehmensberatung „Wieselhuber & Partner“ (W&P) geschlossen werden. Wird der Vorschlag von W&P umgesetzt, verlieren rund 500 Beschäftigte ihre Arbeit. Im Werk an der Alboinstraße werden unter anderem Shampoos hergestellt.
Wie Maura Kearney von der Pressestelle der Hamburger Geschäftsleitung gestern gegenüber der taz erklärte, handele es sich bei dem Bericht erst um eine „Empfehlung“. Kearney: „Die Geschäftsleitung wird voraussichtlich Ende Juli eine Entscheidung treffen.“ Der Schwarzkopfkonzern – Mehrheitsgesellschafter ist der Chemiegigant Hoechst AG – hat neben Berlin noch zwei weitere Standorte im niederländischen Dordrecht (300 Mitarbeiter) und im bayerischen Wassertrüdingen (700 Mitarbeiter). Trotz einer Umsatzsteigerung von 736 Millionen Mark und einer Ertragserhöhung auf 15,2 Millionen Mark im vergangenen Geschäftsjahr ist Schwarzkopf mit der Rendite von 3,3 Prozent nicht zufrieden. Daraufhin wurde W&P zu Beginn des Jahres mit einer Gesamtanalyse des Konzerns beauftragt.
Nachteilig, so bestätigte gestern Kearney gegenüber der taz, wirke sich für das Werk in Berlin der Standort mitten in der Stadt aus: „Wir haben keine Möglichkeit zu expandieren.“ Ob auch an einen Umzug in das Brandenburger Umland gedacht werde, ließ Kearney gestern offen: „Man läßt sich alles durch den Kopf gehen.“
Der Senat will sich für den Erhalt des Werkes einsetzen. Frank Ebel, persönlicher Referent von Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) erklärte gestern, angesichts der Flächenprobleme sei man bereit, bei „der Vermittlung von Grundstücken zu helfen“. Zugleich verwies Ebel darauf, daß ab Januar 1994 auch Firmen im Westteil der Stadt bei Modernisierungen Gelder aus dem Bund-Länder- Fonds zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ abrufen könnten. Insgesamt stünden hierfür 88 Millionen Mark zur Verfügung.
Aktionen sind im Werk noch nicht geplant. Die IG Chemie will zunächst detailliertere Informationen abwarten, bevor die Belegschaft möglicherweise zu Protesten aufgerufen wird. Der Geschäftsführer der IG-Chemie-Verwaltungsstelle in Berlin, Joachim Elsholz, erklärte gestern gegenüber der taz, trotz Anfrage habe man den Zwischenbericht von W&P noch nicht zu Gesicht bekommen. Die Ergebnisse müßten „in Ruhe“ studiert werden. Es sei zu klären, ob W&P die richtigen Daten zugrundegelegt habe. Im vergangenen Jahr hatte die Gewerkschaft der Geschäftsleitung vorgeschlagen, ein neues Werk „in oder nahe bei Berlin“ zu errichten. Der Vorschlag sei jedoch aus Kostengründen abgelehnt worden, erklärte Elsholz.
Dem Westberliner Standort für die Chemie-, Kunststoffverarbeitende und keramische Industrie droht nach Angaben der Gewerkschaft eine Talfahrt. Seit 1990 wurden nach Schätzungen der IG Chemie im Westteil von 18.000 Stellen rund 2.000 abgebaut. Zuletzt schloß im Juni mit Optyl-Brillenmoden in Marienfelde ein größeres Werk. 408 Beschäftigte wurden arbeitslos. Severin Weiland
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