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Tauber vom Taubertal

Emil Beck nach dem WM-Sieg „seiner“ Florettistinnen wieder mal der „glücklichste Mensch“  ■ Aus Essen Dirk Schmidtke

Zunächst muß die taz schamvoll eine Meldung nachreichen, die eigentlich nicht mehr jüngsten Datums ist: Emil Beck aus der Schlaggemeinschaft Beck/Czinder errang die Vereinsmeisterschaft des Brieftaubenclubs 01532 Tauberbischofsheim, war ferner glücklicher Mitbesitzer des Männchenmeisters, des besten Altvogels und des fleißigsten jährigen Weibchens. Anschließend erklärte Beck wohl im Überschwang der sicherlich recht zünftigen Ehrung im Gasthaus „Zum Löwen“ in Unterbalbach, wenn er dereinst in den Ruhestand trete, „dann bleiben mir nur noch die Rennpferde des kleinen Mannes, deren Zucht ich mich voll und ganz widmen werde“.

Aus Essen können wir nun Entwarnung geben: Der Chefbundestrainer des Deutschen Fechter- Bundes hat die Taube auf dem Dach gelassen und wird auch über die bis Samstag dauernden Weltmeisterschaften hinaus noch im Amt sein. Seit Beck, jüngster Sproß einer 13 Kinder starken Großfamilie, 1954 in einem vielzitierten Heizungskeller seine eigene Fechtabteilung als Vorläufer des Fechtclubs Tauberbischofsheim gegründet hat (schwerer Anfang!), der 1969 die alteingesessene Konkurrenz mit drei von vier deutschen Meistertiteln schockte (schneller Aufstieg!), der Autodidakt Beck dann zwei Jahre vor den Olympischen Spielen 1972 zum Degen-Bundestrainer ernannt wurde und dort ein medaillenloses Debakel erlebte (herber Rückschlag!), von dem er sich jedoch erholte, um fortan zum „Goldschmied vom Taubertal“ aufzusteigen – seither also holten „seine“ Fechterinnen und Fechter bei Olympischen Spielen insgesamt 17 und bei Weltmeisterschaften (Essen noch nicht eingerechnet) 49 Medaillen, über die der medaillenverrückte 57jährige stets akribisch Buch führt.

Das ganze malerische Taubertal hat Beck zum „Nabel der Fechtwelt“ strukturiert, die nette Dame vom Verkehrsamt des 12.000-Einwohner-Winzerstädtchens Tauberbischofsheim bricht am Telefon auf vorsichtige Anfrage sofort in wahre Lobeshymnen auf „unsere Fechter“ aus und Baden-Württembergs Kultusministerin Marianne Schultz-Hector faxt und telext andauernd Glückwunschtelegramme für Meisterschafts- und Turniererfolge – in einem Umfang, den früher nur der Staatsrats- und Politbüro-Vorsitzende (Schlagzeile weiland im Neuen Deutschland: „Erich Honecker übermittelte herzliche Glückwünsche“) bei DDR-Olympioniken zustandebrachte. Die perfektionistische Talenteförderung des DDR- Sportsystems hat das CDU- Mitglied Beck beim Aufbau seines systematisch durchorganisierten und zum „Olympiastützpunkt“ beförderten Fechtzentrums mit angegliedertem Teilinternat durchaus inspiriert – rein fachlich, nicht ideologisch, versteht sich.

Anfangs erntete Beck für den von ihm propagierten Stil, einer Art Fecht-Minimalismus mit standardisierten Repertoires, bei den traditionellen Fechtnationen Frankreich, Ungarn und Italien nur Gelächter. Früher mutete es auch noch komisch an, wenn Beck potentielle Sponsoren hofierte und sich und seine Aktiven mit ständig wechselnden Sponsorenaufdrucken vor Fotoapparaten und TV- Kameras ins Bild drängte; Ehefrau Karin saß zu Hause und stoppte die Werbesekunden. Heute lacht keiner mehr. Beck sitzt voll drin in der Stuttgart-Untertürkheimer Connection und hat dafür gesorgt, daß Tauberbischofsheim vermutlich das Städtchen mit der prozentual höchsten Mercedes-Quote in Deutschland ist.

Viel Feind, viel Ehr. Mißgünstige Journalisten, denen Friseurmeister Beck in blauen Briefen (mit Kopie an den Chefredakteur bzw. Verleger) den Kopf wäscht, oder auch Dauer-Intimfeind Arnd Schmitt, ausgerechnet der charismatischste deutsche Fechter, treiben dem „Zampano“ (dpa) die Zornesröte ins Gesicht. Der cholerische Fechtsport-Hardliner ist trotz aller Erfolge dünnhäutig geblieben. Ein Gemütsmensch eben.

Zum Glück gibt es ja „Emils Töchter“ (wieder dpa), die Florettfechterinnen, die den kugelrunden Großwesir des Klingenspiels am Mittwochabend mal wieder in den „glücklichsten Menschen der Welt“ (Selbstbekenntnis) verwandelten. „Glamourgirl“ Anja Fichtel, seit zwei Jahren verheiratete Mauritz, die kapriziöse Zita Funkenhauser, Sabine Bau, die „Frau ohne Nerven“, und Neuling Simone Bauer, alle natürlich Tauberbischofsheim, sowie Ersatzfrau Monika Weber aus Bonn veranstalteten einen Fecht-Thriller, der an Spannung mühelos jeden Mantel-und-Degen-Film übertraf und sogar den für gewöhnlich bierruhigen Damenflorett-Bundestrainer Paul Neckermann zu dem Bekenntnis trieb, das erste Mal überhaupt nicht daran geglaubt zu haben, „daß die Mädels das noch rumdrehen“.

Das erfolgsverliebte Quartett, außerhalb der Planche nicht eben ein Herz und eine Seele, tat es trotzdem. Nach allen 16 Gefechten stand es 8:8, „die Mädels“ waren stets Rückständen hinterhergelaufen, doch am Ende stempelte das Trefferverhältnis mit der mikroskopischen Differenz von 64:63 die Tauber-Crew zum dritten Mal nach 1985 und 1989 zu Weltmeisterinnen. Sabine Bau wurde zur „Königin der Nacht“ (noch mal dpa) und gewann das entscheidende Schlußgefecht gegen die bis dahin ungeschlagene Claudia Grigorescu nach 1:3- und 2:4-Rückstand noch mit 5:4.

„Es gibt nichts Schöneres als den Erfolg, den man selbst in der Hand hat“, philsophierte die erst 19jährige Simone Bauer. „Drei Dinge im Leben mußt du unter einen Hut bringen: Freunde, Fechten und Schule.“ Im letzten Jahr, gibt Simone zu, war sie eine „echte Party-Löwin“. Doch als sie dann Olympia 1992 nur vor dem Fernsehschirm miterleben konnte, gab ihr das den „Kick“: „Solche Erfolgserlebnisse“, sagt die Gymnasiastin gewissenhaft, „kann mir nur der Sport geben.“

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