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■ Amnesty international straft den Asylkompromiß LügenRealitätsferner Zynismus

Jeden Tag präsentieren sich Politik und Medien mit neuen selbstverordneten Scheuklappen, die vor der Gefahr allzu vielen Denkens schützen: Realität wird in Einzelereignisse parzelliert, die scheinbar keinerlei Bezug zueinander haben. Nachrichten flimmern im Sekundentakt und werden zu keinem Bild zusammengefügt. Probleme werden portionsgerecht zerkleinert, damit niemandem mehr auffällt, daß die propagierte „Lösung“ des einen der Lösung des anderen diametral widerspricht. Nicht: „alles hat mit allem zu tun“, sondern nichts mit nichts – der neue Verkehrswegeplan nichts mit dem Ozonloch, der Krieg in Ex- Jugoslawien nichts mit den überfüllten Asylunterkünften, das Karlsruher Abtreibungsurteil nichts mit der eklatanten Frauenarbeitslosigkeit.

Da können die Bonner Politiker nun auch krokodilstränenfeucht auf den neuesten Amnesty-Bericht blicken. Nein, was für Scheußlichkeiten es doch gibt auf der Welt. Schrecklich die Verfolgung Oppositioneller in Ghana, abscheulich die Menschenrechtsverletzungen in Asien, häßlich die Verfolgung der Roma in Osteuropa. Bestreiten wird man diese Informationen nicht. Zu penibel und seriös arbeitet die Menschenrechtsorganisation seit Jahren das Unrecht auf. Aber Konsequenzen ziehen aus dem dort Berichteten wird man deshalb noch lange nicht.

Dabei braucht man nur a und b zusammenzufügen, um den Bonner Asylkompromiß nun auch beweiskräftig des realitätsfernen Widersinns und politischen Zynismus zu überführen. Wie eine Folie läßt sich der Amnesty-Bericht über die Liste der sogenannten „sicheren Drittstaaten“ legen, mit deren Hilfe sich die Bonner Herrschaften eines elementaren Verfassungsrechts entledigten. In keinem einzigen Fall weisen Bonner Drittstaatenliste und Amnesty-Bericht Deckungsgleichheit auf: Sowohl in vielen afrikanischen Staaten als auch in osteuropäischen Ländern hat amnesty schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Bonn hatte sie zuvor – hopplahopp – zu verfolgungsfreien Herkunftsländern gekürt. Dabei hätten die Politiker es schon damals besser wissen können: Die Länderberichte von amnesty lagen nicht erst seit gestern vor. Die ersten dieser aus angeblich so sicheren Drittstaaten kommenden Flüchtlinge wehren sich jetzt im zum Niemandsland erklärten Frankfurter Flughafen gegen die Rückschiebung in ihre „sichere“ Heimat.

Doch die Meldung über diese Gegenwehr wird ebenso wie der Amnesty-Bericht mit den Schlagzeilen vom „Asylmißbrauch“ und der „Asylantenflut“ nicht in Bezug gesetzt werden – nicht in den Köpfen der Medienkonsumenten und nicht in der Politik. Eigenes Wissen und politisches Handeln sind unterschiedliche Paar Schuhe geworden, mit denen sich dennoch bequem und konfliktlos trampeln läßt – immer im Kreis. Vera Gaserow

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