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Trügerischer Frieden um Zadar

Der kroatische Präsident Franjo Tudjman weihte den Flughafen und die neue Brücke von Maslenica ein / Absprache mit dem serbischen Präsidenten Milošević wird bisher eingehalten  ■ Aus Zadar Erich Rathfelder

Werden die serbischen Truppen schießen oder wird die Absprache zwischen den Präsidenten Serbiens und Kroatiens vom Vortag halten? Als sich am Sonntag nachmittag ein paar hundert kroatische Militärs, regionale Honoratioren sowie Journalisten aus aller Welt auf dem Flughafen der kroatischen Küstenstadt Zadar versammelten, schweiften manche besorgte Blicke über das Hinterland, wo die Artilleriestellungen der „Serbischen Republik Krajina“ liegen. Noch am Morgen hatte das serbische Radio Knin von einer „kroatischen Provokation“ gesprochen.

Die Eröffnung des Flughafens und die Einweihung einer Pontonbrücke, die neben der für die gesamte Küste überlebenswichtigen und vor fast zwei Jahren zerstörten Maslenica-Brücke in den letzen Tagen montiert worden war, geht den serbischen Extremisten in der kroatischen Krajina zu weit. Deshalb waren in der Nacht zuvor heftige Artillerieangriffe auf beide Ziele erfolgt.

Doch am Sonntag blieb alles ruhig, die Absprache hielt. Die drei Maschinen der kroatischen Luftfahrgesellschaft „Croatia Airlines“ konnten mit ihrer Fracht aus Diplomaten, Journalisten und dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman landen. Angesichts der drohenden Gefahr gerieten die Reden angenehm kurz. „Die Eröffnung des Flughafens ist ein Schritt in Richtung Normalisierung“, erklärte der Präsident. Und schon setzte sich der Troß aus Regierungslimousinen und Bussen in Richtung der 30 Kilometer entfernten Brücke in Bewegung.

Die nur von einigen kleineren Hügeln durchbrochene Ebene des Hinterlandes von Zadar ist eine der meist umkämpften Landschaften im serbo-kroatischen Krieg. Die Ruinen, die die Straße säumen, legen dafür Zeugnis ab. In den Dörfern und Weilern gibt es keine Häuser mehr, die noch heil geblieben sind. Die Dächer der meisten Häuser sind durch Artilleriegranaten zerstört, von Ruß geschwärzte Fensterhöhlen zeugen von den Bränden, die hier von den serbischen Truppen verursacht worden sind. Hie und da sind bearbeitete Felder zu sehen, einige Bewohner sind zurückgekommen.

Als im September 1991 Truppen der jugo-serbischen Armee und serbische Freischärler hier auftauchten, flüchtete die kroatische Bevölkerung, fast siebentausend Menschen, in die Hafenstadt Zadar. Mit Mühe und Not konnte die Dampfwalze aus Panzern und Artillerie von den damals schlecht ausgerüsteten Verteidigern, buchstäblich vor den Toren der Stadt, zum Halten gebracht werden. Zeitweise sah es sogar so aus, als fiele die Stadt. Damals war Kroatien schon in zwei Teile zerschnitten. Die südlichen Städte Split und Dubrovnik hatten keine Verbindung zum Norden mehr. Da die in der Zadar befindlichen Marineeinheiten der „Jugoslawischen Volksarmee“ JNA jedoch entwaffnet werden konnten, vereinbarten beide Seiten im Herbst 1991 einen regionalen Waffenstillstand.

Für die Auslieferung der Armeeangehörigen wurde eine schmale Straße entlang der Küste von den jugoserbischen Truppen freigemacht, die eine Verbindung zur (Halb-) Insel Pag herstellt, die ihrerseits wiederum mit einer Fährverbidnung mit dem Festland verbunden ist. Seither muß der Verkehr von Zagreb nach Split sich durch dieses Nadelöhr pressen. Denn die eigentliche Nord- Süd-Verbindung konnte ja nicht mehr befahren werden, seit die Maslenica-Brücke im Zuge der Offensive der jugoserbischen Truppen zerstört worden war.

Der Waffenstillstand hielt nicht lange. Seither wurde Zadar wie die weiter südlich liegenden Städte Biograd und Sibenik fast täglich mit Artillerie beschossen. Vor zehn Tagen erst wurden fünf Kinder, die am Strand von Biograd badeten, so ermordet. Und das geschah trotz der Anwesenheit von UNO-Truppen, die seit März 1992 in der Krajina stationiert sind.

Erst die Gegenoffensive der kroatischen Truppen Ende Januar dieses Jahres, als ein großer Teil des Hinterlandes wieder befreit und selbst die Maslenica-Brücke in die Hände der Kroaten fiel, verschaffte den Einwohnern Zadars wieder etwas Luft. Die serbischen Truppen wurden zurückgedrängt, jedoch nicht weit genug, um die Artillerie auszuschalten. Das war übrigens eine Aktion, die in der Weltpresse fälschlicherweise als „Angriff“ Kroatiens auf Serbien dargestellt wurde. Dabei hatten die kroatischen Truppen nur einen Teil ihres eigenen Landes wieder unter ihre Kontrolle gebracht.

Die Maslenica-Brücke bietet dem Beschauer heute ein trauriges Bild. Einige Eisenträger ragen aus dem Wasser, an beiden Seiten des Ufers sind die ehemals gewaltigen Eisenstreben abgebrochen. „Um diese Brücke wieder aufzubauen, brauchen wir Monate“, erklärte ein Ingenieur, nachdem der Autokorso die Baustelle erreicht hatte. Die Pontonbrücke, die jetzt über die Meerenge gelegt ist, sei aber „stabil“.

In der Tat hielt das schwimmende Ungetüm aus Eisen wenigstens an diesem Tag den Schwarm der Begleiter Tudjmans aus, die hinter dem Präsidenten auf die Brücke drängten. Selbstverständlich ließ es sich der Präsident nicht nehmen, als erster über das Bauwerk zu schreiten. Und wieder behauptete Tudjman in seiner kurzen Ansprache, daß nun die „ersten Schritte zur Normalisierung“ gegangen würden.

Wirklich? „Das ist doch noch kein Friede, die können doch jede Sekunde wieder schießen“. Die Bauarbeiter bleiben skeptisch. Die Absprache mit Milošević vom Samstag berge die Gefahr in sich, daß „wir über den Tisch gezogen“ werden. In der Tat ist Tudjman in der Vereinbarung dem serbischen Präsidenten weit entgegengekommen. Die kroatischen Truppen sollen bis zum 1. August aus großen Teilen des zurückeroberten Gebietes abgezogen werden, Truppen der UNO sollen an der Maslenica-Brücke, am Flughafen und am Peruća-Staudamm stationiert werden. Serbische Polizei soll das Recht erhalten, zusammen mit UNO-Polizei in den ehemals mehrheitlich von Serben bewohnten Dörfern Islam Grćko, Smoković und Kašić zu patroullieren. Dagegen wird es der kroatischen Polizei nicht erlaubt sein, in ehemals mehrheitlich kroatischen Dörfern in der Krajina präsent zu sein.

In Zadar ist die Stimmung gegenüber Tudjman nicht gerade positiv. „Warum sind denn meine Kameraden gefallen, wenn wir das alles der UNO wieder unterstellen? Der Peruća-Staudamm war schon einmal der UNO unterstellt. Und nicht geschützt. Denn die Serben haben ihn doch fast gesprengt, damals im Januar.“ Die Freundin des enttäuschten kroatischen Soldaten schüttelt den Kopf. „Hoffentlich ist das kein Kuhhandel wegen Bosnien.“ Krieg wegen der Brücke werde es nicht geben. Doch der nun eingeläutete Waffenstillstand sei aller Erfahrung nach nicht viel wert. „Die Krajina-Serben wollen unsere Stadt erobern und den Zugang zum Meer. Diese Ziele haben sie nicht aufgegeben.“

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