: Butoh vs. Gewerbesteuerhebesatz
■ Wirtschaftssenator Jäger steckt immer mehr Geld in die Kultur - sofern es sich rentiert
hierhin bitte
den Mann mit
Krawatte
So weit die Kultur auch die Arme schon breitet, der Wirtschaftssenator Claus Jäger zaudert nochFoto: Christoph Holzapfel
Ein beträchtlicher Anteil der bremischen Kulturförderung kommt inzwischen aus den Kassen des Wirtschaftssenators. Böse Menschen sprechen schon von einem „Schattenkulturhaushalt“. Wenn es allerdings nach Helga Trüpel, der eigentlich zuständigen Senatorin ginge, könnte Jäger ruhig noch mehr bezahlen. Die taz wollte wissen, wohin das am Ende noch führen soll.
Können Sie noch auswendig aufsagen, wo Sie überall mitmischen?
Claus Jäger: Nein, das kann ich nicht, aber wir haben das sehr gut erfaßt. Was mir natürlich einfällt, ist das, was mir am Herzen liegt, vom Musikfest bis zum Butoh- Festival. Dabei hab ich vor anderthalb Jahren noch gar nicht gewußt, daß Butoh ein japanischer Tanz ist. Ich hätte eher an Pakistan gedacht, wegen dem Premier Bhutto.
Eben. Daß sich ein Wirtschaftssenator in solchem Ausmaß engagiert, ist was Neues.
Wir können auch gern mal zusammenlegen und ein Ressort „Wirtschaft und Kultur“ gründen...(lacht). Spaß beiseite.
Viele Millionen zahlen Sie jetzt schon? Können Sie's genau beziffern?
Schwer. Das hängt vom Kulturbegriff ab. Den möchte ich auch nicht zu weit fassen, um den Eindruck zu vermeiden, wir würden uns des Kulturressorts bemächtigen.
Warum schenken Sie das Geld nicht einfach der Kultursenatorin? Die würde sich freuen.
So ist es nun nicht, daß wir was zu verschenken hätten. Erstens käme das dann gar nicht im Kulturressort an, zweitens möchte ich nicht darauf verzichten, Einfluß zu nehmen in unserem Sinne.
In welchem Sinne?
In dem Sinne, daß mehr Leute wie Sie aus dem Süden hierher kommen, daß die Ausstrahlung
„Dabei habe ich vor anderthalb Jahren noch gar nicht gewußt, daß Butoh ein japanischer Tanz ist. Ich hätte da eher an Pakistan gedacht, wegen dem Premier Bhutto“
Bremens gefördert und der Tourismus angekurbelt wird, daß Bremen als Wirtschaftsstandort einen gewissen Glanz kriegt. Da kann durchaus auch Experimentelles nützlich sein, ich denke da unter anderem an das Shakespeare-Festival demnächst.
Könnte sowas nicht die Kultursenatorin ebenso fördern, wenn man ihr das Geld gäbe?
Im Prinzip ja, insgesamt gibt es aber schon Meinungsverschiedenheiten, wenn auch nicht so sehr große. Frau Dr. Trüpel hat sich ja mit sehr hohen Erwartungen aus der alternativen Szene auseinanderzusetzen. Ich verstehe, daß da Spannungen entstehen. Andererseits müßte ja vielleicht nicht unbedingt alles gehalten werden, was sich nur selber als „Kultur“ definiert.
Nehmen wir mal so einen hungerleidenden Künstler oder Veranstalter: Der muß jetzt zu immer mehr Herren von immer mehr Töpfen laufen, bis er vielleicht doch nichts kriegt.
Das fände ich auch nicht gut. Nein, die zentrale Verantwortung muß schon bei der Kultursenatorin bleiben. Aber es wird immer Überschneidungen geben. Und unsere Kriterien: wieviele Leute kommen nach Bremen? Wieviel Geld lassen die hier? - die müssen wir selber vertreten.
Dann wird in mittlerer Zukunft das Kulturressort zur Sozialkasse für arme Schlucker, Soziokultur und alternde Theater herunterkommen, während die Glanzlichter der Wirtschaftsförderung zufallen.
Das fände ich falsch. Aber eine Mischfinanzierung da, wo es Berührungspunkte zwischen Kultur und einer ganz allgemeinen Attraktivität gibt, das halte ich für vernünftig. Wenn zum Beispiel einer käme und machte hier in Bremen sowas wie Woodstock, dann wäre das durchaus auch für uns interessant. Ich will aber nicht entscheiden müssen, wieviel Geld jemand kriegt, der eine Experimentalbühne betreibt, wo vielleicht 25 Leute kommen und nichts in der Stadt lassen, weil sie selber nichts haben. Die Verantwortung will ich gar nicht haben, das ist nicht die Aufgabe von Wirtschaft.
Gibt es langfristige Absprachen mit Helga Trüpel? Überlegungen, was man wie gemeinsam machen kann?
Noch nicht. Sinnvoll wäre es sicherlich, schon damit man aus diesen defensiven Verteilungskämpfen herauskommt, wo immer die verlieren, die nicht so laut schreien. Aber jede Planung ist schwer, solange nicht eine gewisse Planungssicherheit besteht, vor allem in der Finanzierungsfrage. Davon kann man leider gerade im Kulturbereich nun gar nicht ausgehen.
Umso lieber sähe es die Kultursenatorin, wenn sie noch mehr bezahlen würden.
Ja, sie möchte uns einige Sachen ganz auf's Auge drücken.
Zum Beispiel?
Die Kammerphilharmonie und das KITO haben wir schon, da müssen wir übrigens in absehbarer Zeit auch wieder raus, weil wir nicht den ganz normalen Kulturbetrieb gewährleisten können. Die Breminale aber mußten wir von vorneherein ablehnen. Da sehe ich beim besten Willen keine überregionale Bedeutung.
Daß die Kultur ein „Standortfaktor“ sei, war vor zwei, drei Jahren eine topmoderne These. Inzwischen ist es sehr schnell sehr still geworden um den Begriff. Beunruhigt Sie das nicht?
Vielleicht erschöpfen sich Begriffe mal, vielleicht ist das auch überbewertet worden. Ganz sicher aber ist folgendes wichtig: Kann man im Freundeskreis sagen: wir gehen jetzt nach Bremen? Gibt es dort ein Orchester, wo ich mich nicht schämen muß zu gestehen, daß ich ein Abo habe? Ist es ein Orchester, mit dem man sich sehen lassen kann? Daß man sich sehen lassen kann mit Kultur, spielt ja eine große Rolle. Gibt es ein Dreispartentheater? Interessante Kleinkunst? Alles wichtig; der Begriff ist egal. Oder nehmen Sie das Schulangebot für die Kinder: viel wichtiger als der Gewerbesteuerhebesatz. Fragen: Manfred Dworschak
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