piwik no script img

Zölibat für schwule US-Soldaten

Präsident Clinton lockert Bann gegen Homosexuelle / Sexuelle Handlungen mit Gleichgeschlechtlichen weiter untersagt / Enttäuschung bei Interessengruppen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

In diesem Fall war weniger der Inhalt der Präsidentenrede interessant, den die US-Presse in den Tagen zuvor ohnehin schon publiziert hatte. Bezeichnend war vielmehr das Publikum: Bill Clinton verkündete seine neue Kompromißformel in Sachen Homosexuelle im Militär nicht im Weißen Haus vor Journalisten oder gar Vertretern der Lobbygruppen von Schwulen und Lesben, sondern in der „National Defense University“ vor einer Ansammlung ordensgeschmückter Offiziere. Clinton selbst wurde auf dem Rednerpult flankiert von Generalstabschefs des US-Militärs – jenen Männern, die sich bis zuletzt mit Zähnen und Klauen gegen eine Aufhebung des Bannes gegen Homosexuelle im Militär gewehrt hat.

Der nun gefundene Kompromiß, der sich bereits seit Monaten abzeichnete, ist letztlich Zeugnis einer in diesem Fall machtlosen demokratischen Administration. Unter dem neuen Slogan „Don't ask, don't tell, don't pursue“ (Nicht fragen, nichts sagen, nicht verfolgen) gilt ab 1. Oktober folgende neue Regelung: Rekruten werden beim Eintritt in die Armee nicht mehr nach ihrer sexuellen Orientierung befragt, Homosexuelle dürfen also prinzipiell in der Armee dienen. Sie können weiterhin ausgeschlossen werden, sobald sie sich nachweislich in oder außer Dienst „homosexuelle Handlungen begehen“. Das reicht vom Händchenhalten über den one night stand bis zur festen Beziehung. Wer sich als SoldatIn offen zur Homosexualität bekennt, muß, um einem Ausschluß zuvor zu kommen, beweisen, daß er oder sie keinerlei sexuelle Beziehung mit gleichgeschlechtlichen PartnerInnen gepflegt hat und dies auch in Zukunft nicht tun wird.

Damit ist zwar der im Jahre 1982 unter Präsident Ronald Reagan formulierte Bann aufgehoben, wonach „Homosexualität mit dem Dienst in der Armee unvereinbar“ sei. Das Tragen einer Uniform ist Schwulen und Lesben nach der neuen Regelung eigentlich nur unter der Voraussetzung erlaubt, daß sie im Zölibat leben – oder dies zumindest vortäuschen. Eine Verbesserung bringt die Neuregelung lediglich insofern, als die Militärbehörden in Zukunft keine Ermittlungen und Schnüffeleien mehr allein zu dem Zweck durchführen dürfen, um herauszufinden, ob ein Armeemitglied homosexuell ist oder nicht. US-Präsident Clinton hatte im Wahlkampf versprochen, den Bann gegen Homosexuelle im Militär per Exekutivorder aufzuheben. Doch was als eine der ersten Amtshandlungen geplant war, entwickelte sich unmittelbar nach Amtsantritt zur ersten innenpolitischen Krise des neuen Präsidenten. In deren Verlauf agierten vor allem die Mitglieder des Generalstabs in einer Weise, die in der US- Presse als „nahe der Insubordination“ beschrieben wurde.

Der Widerstand innerhalb der Militärführung beruhte zum Teil auf den gleichen Argumenten, die die Generalität Ende der vierziger Jahre anführte, als es um die Integration der Schwarzen in die Armee ging: Dies würde die Moral der Truppe untergraben, zum Ausbruch von Krankheiten führen und zu gewalttätigen Reaktionen seitens der weißen Soldaten.

Daß Verteidigungsminister Les Aspin bei seinen Verhandlungsversuchen mit den Generälen bis zuletzt auf Granit biß, mag vor diesem Hintergrund nicht weiter verwundern. Zudem schlug der neuen Administration auch aus dem Kongreß lautstarke Opposition entgegen – angeführt von einem Parteigänger Clintons, dem Vorsitzenden des Streitkräfteausschusses im Senat, Sam Nunn. Nunn entpuppte sich von Beginn an als Wortführer einer christliche konservativen Mehrheit im Senat und drohte mehrfach, den unter Reagan formulierten Bann als Gesetzesantrag in den Kongreß einzubringen, sollte Clinton versuchen, ihn aufzuheben. Was Nunn jetzt nach dem Kompromiß tun wird, ist unklar.

Vertreter von Schwulen-und Lesbengruppen machten am Montag keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung über das gebrochene Wahlversprechen Bill Clintons. Der „Lambda Legal and Education Fund“, ein Rechtshilfefonds für Homosexuelle sowie die größte Bürgerrechtsorganisation der USA, die „American Civil Liberties Union“, haben bereits angekündigt, gegen die neue Regelung vor Gericht zu klagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen