Bosnien: Staatspräsidium für Förderationsplan

■ Zentrale Politikfelder sollen in der Hand eines einheitlichen Staates bleiben / Offene Kritik an der „serbenfreundlichen Politik“ Lord Owens

Genf (taz) – Das Präsidium Bosnien-Herzegowinas hat den Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz gestern seinen endgültigen, am Sonntagabend in Sarajevo fertiggestellten Gegenvorschlag zu den serbisch-kroatischen Dreiteilungplänen zukommen lassen. Das 11-Punkte-Dokument der nach wie vor aus Muslimen, Serben und Kroaten bestehenden höchsten Instanz der ehemaligen jugoslawischen Republik , das der taz vorliegt, basiert auf dem ursprünglichen Vance- Owen-Friedensplan für Bosnien. Vorgeschlagen wird eine „nicht einzig nach ethnischen Kriterien gebildete“ Föderation innerhalb eines bosnischen Einheitsstaates. Die frei gewählte Regierung Bosniens ist sich der geringen Chancen ihres Vorschlages wohl bewußt: Sollte auch der neue Vorschlag der Bosnier scheitern, so fordert das Gremium unter Vorsitz des Präsidenten Alija Izetbegović ein UNO-Protektorat für die ehemalige jugoslawische Republik.

Die Festlegung auf eine Föderation steht im klaren Gegensatz zu den Vorschlägen der bosnischen Serben und Kroaten, des Präsidenten der Republiken Serbien, Slobodan Milošević und Kroatiens Franjo Tudjman, die eine „Konföderation“ aus drei ethnisch definierten Teilrepubliken, bei deren Regierungen alle entscheidenden Kompetenzen liegen sollen, anstreben. Der Vorschlag der Bosnier ordnet hingegen wesentliche Politikbereiche wie Grenzsicherung, Außenpolitik, Außenhandel, Steuern, Währung und Zölle weiterhin der Regierung des Einheitsstaates zu. Die Mitglieder des Parlaments dieses Staates sollen nach bosnischen Vorstellungen von allen BürgerInnen des Landes nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Das serbisch-kroatische Konföderationsmodell dagegegen sieht die Ernennung der Abgeordneten durch die Parlamente der drei angestrebten ethnischen Teilrepubliken vor.

Hintergrund des bosnischen Festhaltens an einem einheitlichen Staat ist, daß dieser nach dem Präsidiumsvorschlag das einzige „Internationale Rechtssubjekt“ sein soll. Für dessen Exekutivorgane, die Präsidenschaft und die Regierung, ist in dem Vorschlag des Präsidiums eine „proportionale Beteiligung“ der ethnischen Gruppen Bosniens vorgesehen. Das Präsidium ließ offen, aus wie vielen „Einheiten“ die künftige Föderation gebildet werden soll. Bei den internen Diskussionen in der zur Zeit der Beratungen schwer umkämpften Hauptstadt Sarajevo war von zwischen drei und 18 die Rede. Auf jeden Fall sollen diese Einheiten „nicht einzig nach ethnischen Kriterien“ gebildet, sondern „geographische, wirtschaftliche, kulturelle, historische sowie Transportaspekte“ berücksichtigen.

Der bosnische Vorschlag ist eine Absage an die Umschichtung oder auch „ethnische Säuberung“ von Bevölkerungen, die der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić unter anderem für die muslimischen Enklaven in Ostbosnien und für Sarajevo vorgeschlagen hatte. Zudem hat das höchste Exekutivorgan Bosnien-Herzegowinas ausdrücklich das Ansinnen des EG-Unterhändlers Lord David Owen abgelehnt, in Genf nunmehr auf der Basis des serbisch-kroatischen „Konföderationsmodells“ zu verhandeln. Aufgrund dieser Forderung hatte das Präsidium bereits letzte Woche den Rücktritt Owens verlangt, da der Engländer spätestens seit dem offiziellen Ende des Vance-Owen-Friedensplan vor vier Wochen die „Position des serbischen Aggressors“ vertrete.

In einem vor der EG-Außenministertagung vom Montag in Brüssel eingegangenen Schreiben hatte das Präsidium erklärt, unter den von dem EG-Vermittler gesetzten Rahmenbedingungen nicht weiter an den Genfer Verhandlungen teilnehmen zu wollen.

Die letzte Woche von Präsident Izetbegović geforderten Voraussetzungen für eine bosnische Teilnahme in Genf, die Wiederherstellung der Wasser- und Elektrizitätsversorgung Sarajevos, waren zuvor erfüllt worden. Während ihrer Beratungen mit Owen und bei einem gemeinsamen Mittagessen bekräftigten die Außenminister daraufhin, der Vance-Owen-Plan sei nach wie vor Basis der Verhandlungen.

Eine militärisch erzwungene Teilung des Landes dagegen werde von der EG „nicht akzeptiert“. Ratspräsident Claes erhielt den Auftrag, dem bosnischen Präsidium eine Einladung nach Genf zu überbringen. Aus dem Schreiben geht hervorgeht, daß dessen Föderationsvorschlag ebenso Verhandlungsgrundlage ist, wie das serbisch-kroatische Konföderationsmodell. Mit der ursprünglich für Dienstag anberaumten Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen wird nun für Freitag, also nach Abschluß der Claes-Reise, gerechnet.

Claes soll auf seiner Reise zudem dem kroatischen Präsidenten Tudjman die Haltung der EG bezüglich der Politik kroatiens in den serbisch besetzten Gebieten und in Bosnien erläutern.

Die EG-Außenminister hatten der ex-jugoslawischen Republik mit Wirtschaftssanktionen gedroht, falls Kroatien seine Unterstützung für die Vertreibung der bosnischen Muslime durch die kroatische-bosnische Miliz HVO nicht einstellt. Claes soll Tudjman auch vor der Anwendung militärischer Mittel im Konflikt mit den Krajina-Serben im dalmatinischen Hinterland warnen. Dem Auftrag an Claes war eine kontroverse Debatte unter den zwölf Außenministern vorausgegangen, bei der vor allem der britische Außenminister Douglas Hurd und Claes selber auf Wirtschaftssanktionen gegen Kroatien drangen. Dagegen sprach sich am deutlichsten Bundesaußenminister Klaus Kinkel aus, unterstützt von einigen seiner Amtskollegen. Die Bundesregierung begründet ihre Haltung vor allem mit der „schwierigen Lage“ Kroatiens. Ein Drittel des Landes sei von den Serben besetzt, der Vance-Plan vom Januar 1992 zur Wiederherstellung sei bislang kaum umgesetzt worden.

Außerdem trage Kroatien die Last von bis zu einer Million bosnischer Flüchtlinge. Bei diesem Argument spielt in Bonn auch die Sorge eine Rolle, daß Wirtschaftssanktionen gegen Kroatien zu einer Ausweitung der Flüchtlingprobleme führen könnten, die dann zunächst in die Bundesrepublik Deutschland kämen. Andreas Zumach