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Du darfst Huah! schreien

■ Ein Gruselzimmer fürs Kindermuseum

Eine Puppenstube der neunziger Jahre: Steffi streicht den schwarz-weißen Papier-Streifen-Vorhang zur Seite und erklärt: „Das ist eine Gespensterhütte, da schlafen die Gespenster, wenn es morgens ist.“ Gespenster von heute brauchen zwei Stühle, ein Sofa, eine Badewanne und eine Rutsche. Aus Eierkartons, Korken, Luftschlangen und Knöpfen haben Steffi, Josefine und Kim ihnen ein Häuschen gebaut, das etwas Heimeliges und auch was sehr Gespenstisches an sich hat.

Die Gespensterhütte wird ab 31. Juli im Schlachthof zu sehen sein, der sich dann in ein „Kindermuseum“ verwandelt. Die Idee stammt vom Verein zur Förderung der kulturellen Breitenarbeit in Tenever. Seit Mai sammeln, bauen, kleben, schreiben, malen Kinder aus Bremen und Umzu dafür in Spielhäusern, Horten, Schulen, Bürgerhäusern und Kulturläden.

Gefragt ist, was den Kids gefällt. Es gibt eine Dinoinsel, Schätze aus der Hosentasche, Fahrradteile und Kaugummipapier, Steine, Reisen, Füße — und: „Mein schönes Gruselzimmer“, das zur Zeit an der Kunstschule in Stuhr entsteht. Achtzehn Kinder zwischen Sieben und Elf haben sich unter Anleitung der Bildhauerin Karin Damson und Kulturpädagogin Anne Röcken eine Woche lang aufs Gruseln ein- und alles, was in ihnen dazu umgeht, rausgelassen.

Gespenster! hatten Nils, Camilla und Verena zuerst im Kopf. „Die kennen wir aus dem Buch und aus dem Fernsehen. Die tun ja keinem was, nur wenn man sie ärgert.“ Vorsichtig tasten die Kinder sich ans Gruselige heran, formen skurrile Tonfiguren, malen häßliche Gestalten in alte Schulbücher, bauen Monster-Masken aus geschmotztem Zeitungspapier. So ganz nebenbei werden dabei die ganz geheimen Ängste verarbeitet — Anna baut das Krokodil, das nachts unterm Bett liegt, Drillingskind Tanja einen „Dreikopf“ mit Segelohren.

Die Kids proben den Grenzgang der Gruselei. Mit Rot, Lila, Schwarz und Giftgrün pflastern sie ihre Werke, denn das Eklige macht auch Spaß. Krötenschleimsuppe und eine Sahnetorte mit Maus stehen auf dem Tisch. Die achtjährige Tanja in ihrem umgedrehten Malerhemd: „Ich fürchte mich nur vor den Gespenstern, die die anderen bauen.“

In zehn Tagen werden die gebastelten Masken im Museum von der Decke hängen. Die anderen Kinder dürfen dann mit den Gruselmonstern spielen, dürfen selbst in Leintücher verpackte Gespenster sein, dürfen alles anfassen. „Und Du darfst laut sein und Huah! schreien!“ sagt Lena. Passend zur Gespenster-Kassette, auf welche die Stuhrer Kids Stuhlgequietsche, Hahnengeschrei, Gemecker und Gezeter aufgenommen haben. Graulich' Grusel überall — ein Rattengedicht von Anne: Ratten, das sind Happen, die jeder Hexe schmecken, so daß sie sich die Lippen lecken. Silvia Plahl

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