: Schwer zu lesen
■ Spielverbot für Bremer Hardcore-Antifaschisten
„ICH WEISS ES IST SCHWER ZU LESEN / ABER ES IST SCHWERER ZU DENKEN / HEIME ABFACKELN IST DEIN IDEAL / WARUM KEINEN MOLLI BEIM BONZEN REIN?“
Wer sich das fragt, der macht sich strafbar. Das vermutet zumindest der Hamburger Zoll: Der beschlagnahmte 235 LPs der Bremer Band „Rumble Militia“, Verfasserin der oben zitierter Zeilen. Inzwischen ist die Scheibe mit dem Titel „Wieviel Haß wollt ihr noch?“ vom Markt verschwunden, auf Drängen des Staatsanwalts. Begründung: „Verdacht auf öffentlichen Aufruf zu Straftaten“ (wg. Molli). Sänger Staffi kann da keinen Aufruf-Charakter entdecken: Das mit dem Molli, „das ist doch nur 'ne Frage“.
Wahrscheinlich wären die Scheiben sogar glatt durch den Zoll gegangen, als sie vom schwedischen Hersteller nach Deutschland eingeschifft wurden. Das Cover gibt praktisch nichts Verdächtiges her, außer dem in blutigster Splatter-Typografie gehaltenen Plattentitel. Und selbst bei näherem Hinhören hätten die Zöllner kaum Strafbares feststellen können — unter dem soliden Bratheimer-Gitarrensound von „Rumble Militia“ lassen sich Staffis beherzte Texte kaum entziffern.
Aber dann! Das Backcover: ein vollständig abgedruckter Songtext, abermals mit dem Titel „Wieviel Haß etc.“ bekrönt. Da stutzten die Beamten: „Hoyerswerda“? „Rostock“? „Deutschland, Deutschland, Widerstand in diesem Land“? Da läßt sich der Rechtsbruch förmlich ahnen!
Bei der Plattenfirma „Century Media“ argwöhnt man, daß die Zöllner anhand des Textes vielleicht etwas vorschnell urteilten und womöglich einen rechtsextremistischen Hintergrund hinter Staffis Zeilen vermuteten. Da kann Betroffene nur ärgerlich abwinken: „Rumble Militia“ nämlich pflegten einen „rebellischen Stil von antifaschistischen Ansichten“. Gerade wegen der Neonazi- Morde habe die Band die „Haß“- Platte herausgebracht. Und: „Meiner Meinung nach ist da nichts drauf, was dieses Land schlimmer darstellt, als es ist.“
Die Plattenfirma aber fackelte nicht lange und stellte den Vetrieb ein. Ansonsten drohten im Verfahrensfall fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Auch, wenn Firmenchef Oliver Witthöft eigentlich findet, dasß die Anschuldigungen „politisch höchst fragwürdig“ seien und die Vorwürfe „auf einseitiger Interpretation“ beruhten. Staffi und die Seinen aber sind sauer auf ihre Firma: Wenn der Verdacht auf Strafverstoß so fraglich ist — warum dann der schnelle Rückzieher? Ja, „darf man in Deutschland seine eigene Meinung nicht mehr äußern?“ Doch, doch, man darf. Denn das Streitobjekt war schon vor der Beschlagnahme am Hafen wochenlang im Handel, ohne daß je ein Staatsdiener daran Anstoß genommen hätte. tom
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