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Die Angst vor der Polit-Mixtur

Wenn Altkommunisten und Neofaschisten gemeinsame Sache machen, zeigen Europas Linksintellektuelle Nostalgie für „klare Fronten“  ■ Aus Paris Arturo Guatelli

Neofaschismus und Altkommunismus: auch wenn sie nicht neu ist, diese Allianz, gefährlich ist sie in jedem Fall. Daran ändert nichts, daß es nur wenige ideologische Berührungspunkte zwischen den beiden gibt und diese Gemeinsamkeit auch allenfalls in Untergrundgazetten diskutiert wird. Die Creme der europäischen Linksintellektuellen haben auf diese Gefahr mit einem Appell reagiert, der sich am besten mit „Sei wach Europa“ umschreiben läßt. Sie fürchten eine Vermengung von Ideen und daß diese Boden gewinnen könnte und daß auf diese Weise die Gefahr von Rechts banalisiert würde. Sie wehren sich dagegen, daß da ein Nationalismus bolschewistischer Art Fuß faßt, der am Ende die rassistischen Verbrechen in Deutschland ebenso wie die ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien rechtzufertigen versucht.

Von Umberto Eco über Georges Duby und Pierre Bordieu bis zu Jacques Derrida zeigen sich die vierzig Unterzeichner des Appells besorgt „über die Wiederentstehung antidemokratischer Strömungen in Frankreich und in ganz Europa“. Sie stellen fest, daß die Infiltration neofaschistischen Denkens heute leichtes Spiel hat. Grund: der Mangel an Kontrolle in der Presse, den Verlagen, den Universitäten. Mitunter werden dabei auch die Bedenken derer instrumentalisiert, die die Freiheit der Meinungsäußerung nicht einschränken wollen und die Toleranz zum ethischen Grundprinzip erheben. Der Kampf ist teilweise sehr verdeckt, doch er könnte sich in eine offene Legitimation der neuen Rechten verwandeln, so jedenfalls die „Appell“-Autoren.

Der Aufruf erschien in der französischen Tageszeitung Le Monde und stellt den bisher letzten Akt einer Polemik dar, die sich in Frankreich nach einem Artikel Jean- Paul Cruses, einem Mitarbeiter der Tageszeitung Libération, in der vom KP-nahen Schriftsteller Jean Edern-Hallier geleiteten Monatsschrift L'Idiot international entwickelt hat. Cruse sagte in seinem Artikel die Entstehung einer politischen Front voraus, in die sowohl die Ultranationalisten wie die französische KP einsteigen könnten, im Klartext die Kommunisten des Georges Marchais zusammen mit der katholischen, nationalistischen, militaristischen Rechten – jene Strömung, die von Charles Maurras her anhebt und bei de Gaulle endet.

Der Artikel hätte wohl nicht viel Echo gehabt, wäre da nicht ein anderes Organ, Canard enchaine, eingestiegen und hätte eine Untersuchung über die tatsächlich schon bestehenden (oder gemutmaßten) Beziehungen zwischen Rechts- und Linksextremisten durchgeführt. Dies wiederum hat zu großer Verlegenheit im Lager des Georges Marchais geführt – sie zeigte nämlich den Einfluß eines Mannes von der äußersten Rechten, Alain de Benoist, der seit Jahren den Zustrom politischer Randgruppen zum Zentrum prophezeit. Dabei versteht er unter dem Zentrum die vorherrschende Ideologie, unter Peripherie all jene, die diese Ideologie nicht akzeptieren. Nach dem Kollaps der bisher vorherrschenden Ideologien könnte sich, nach Benoist, ein breiter Raum der Verständigung all derer ergeben, die lediglich in dem einen Punkt übereinstimmen, der „radikalen Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft“.

Benoist und Paul Cruse zeigen da deutlich gleiche Wellenlänge. Für sie wird sich die Erneuerung des Nationalen „im Kampf gegen die Balkanisierung der Welt, gegen die Befehle von Wall Street, gegen den internationalen Zionismus, gegen die Börse von Frankfurt und auch gegen die Zwerge aus Japan“ ergeben. Die Ausuferungen dieser „Philosophie der Erneuerung“ nutzen den Fall der Mauer von Berlin, die Nostalgie nach dem Sowjetkommunismus und, was Frankreich angeht, die Wahlniederlage der Sozialisten. Die Suche nach neuen Allianzen, bei denen das Braun der Nazi-Hemden sich mit dem Rot des Kommunismus vermengt, geschieht in jenem Niemandsland, das angeblich durch das Ende aller Ideologien zu Ansehen gelangt ist.

Für Didier Daeninckx, Schriftsteller und aktiver Kommunist, darf man die Gefahren von derlei Verschmischungen auf keinen Fall miteinander vermischen: „Wäre dies eine rein französische Erscheinung, müßte man keine Sorge darum haben. Doch die Verbreitung der Kontakte zwischen Rechts- und Linksextremismus ist heute geradezu Alltag – im ehemaligen Jugoslawien, in Bulgarien, in Deutschland und anderswo. Diese Ideen-Verpflanzung, auch wenn sie lediglich kaschiert ist, muß man schon bei ihrer Entstehung isolieren.“

Eine fundamentale Rolle bei dieser Neuverteilung politischen Terrains spielt in der Tat „L'idiot international“ Jean Edern-Hallier, und zwar weit über den hier zur Debatte stehenden Artikel hinaus. Seine Verbandelung mit der KP ist bekannt. Wenngleich offiziell politische Unvereinbarkeit besteht, ergibt schon eine kurze Recherche im halboffiziellen Bereich, daß Hallier stets Unterstützung, ja sogar Finanzierung durch einen ansehnlichen Teil der KP erhalten hat.

Andererseits sind die Sympathien Halliers für die rechtsextreme Front National Le Pens keineswegs nur vorübergehende Episoden. Der Führer der Rechtsextremen war in der Zeitschrift schon des öfteren positiv hervorgehoben worden – das reichte bis hin zur Rechtfertigung der Ambitionen Le Pens auf das Präsidentenamt. Natürlich reiht sich viel davon ein in den blanken Versuch, einfach die eingefahrenen Geleise der offiziellen Politik zu sprengen und vor allem die Mitterrandsche Politik anzugreifen, die von vielen Seiten her beschuldigt wird, den Verlockungen der kapitalistischen Gesellschaft nachgegeben zu haben.

Aber auch die Bedenken der Linken des Pariser „Europa sei wach“-Appells haben ihre historischen Rechtfertigungen. Globe Hebdo, ein Wochenmagazin, das auch Umberto Eco zu seinen Mitarbeitern zählt, erinnert daran, wie die ultrareaktionären preußischen Generäle nach der Niederlage im Weltkrieg 1914–18 Kontakte zur Kommunistischen Internationale suchten, um den Aufstand proletarischer Nationen anzufachen. Links- und Rechtsextreme hatten seinerzeit einen gemeinsamen Feind, die Sozialdemokratie. Derzeit nun ist das Gebiet, auf dem Verständnis herrscht, das Ende der Ideologien – ein Sumpf, in dem ganze Demokratien, so sie nicht achtsam genug sind, durchaus untergehen könnten.

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