: Die „Junge Freiheit“ in bester Gesellschaft
In Potsdam wird der Chefredakteur der rechten Monatspostille mit Gregor Gysi und dem Historiker Julius Schoeps diskutieren / Redaktion und Verlag ziehen derzeit in die Residenzstadt ■ Von Severin Weiland
Die rechte Monatszeitung Junge Freiheit (JF) wird hoffähig. Vorbei sind die Zeiten, da über das Blatt in liberalen Medien – wie jüngst in der Zeit – nur geschrieben wurde. Am 10. Oktober wird Chefredakteur Dieter Stein im Potsdamer Schloßtheater seine Thesen für einen „modernen Nationalkonservatismus“ vor einem breiteren Publikum ausbreiten können. Zusammen mit dem PDS-Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi und dem Historiker Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrum europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, wird der 26jährige über „Grenzen der Vergangenheitsbewältigung“ diskutieren. In der gleichlautenden sechsteiligen Diskussionsreihe, die im Rahmen der Potsdamer 1.000-Jahr-Feier bis November gehen wird, sprach am vergangenen Wochenende bereits der FAZ-Herausgeber Joachim C. Fest. Weitere Gäste werden unter anderem Zeit-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff und der französische Historiker Alfred Grosser sein.
Die JF, 1986 als Schülerzeitung gegründet, gilt heute mit einer monatlichen Druckauflage von 35.000 Exemplaren als das Sprachrohr der rechten Szene. Zu ihren Autoren gehören neben CDU-Politikern wie Heinrich Lummer auch Vertreter der FAP oder der Deutschen Liga.
Alexander Dill (34), Koordinator der „Potsdamer Diskurse“, sieht in der Einladung nichts Verwerfliches. Im Gegenteil: Stein sei der Kopf der „intellektuellen Fraktion“ innerhalb der konservativen JF, mit der man sich auseinandersetzen müsse. Dill: „Wir brauchen einen neuen Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Ihre masochistische Dämonisierung verhindert positive Identifikationsfelder.“ In der Diskussion mit Rechtsintellektuellen sehe er ein „präventives und therapeutisches Mittel gegen Gewalt“, die stets „ein Ausdruck von fehlender oder nicht vorhandener Identität“ sei.
Gysi und Schoeps wissen laut Dill, mit wem sie diskutieren. Der ehemalige PDS-Vorsitzende habe bereits schriftlich, Schoeps mündlich zugesagt. Im Berliner Büro des PDS-Politikers wurde dies bestätigt und darauf verwiesen, daß Gysi auch schon mit Jörg Haider, dem Chef der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs, diskutiert habe. Gysi, so ein Sprecher, sei für „eine öffentliche Auseinandersetzung mit rechtskonservativen Positionen“.
Die JF bereitet derzeit ihren Umzug von Freiburg nach Potsdam vor. Unter ihrer Telefonnummer in Südwestdeutschland ist die Zeitung schon seit dem 20. Juli nicht mehr zu erreichen. Aus Angst vor „militärischen Angriffen“ der linken Szene, so Chefredakteur Dieter Stein zur taz, werde die neue Anschrift noch geheimgehalten. Stein selbst ist derzeit nur über ein Funktelefon zu erreichen.
Dem Ortswechsel mißt der Student der Geschichte und Politik symbolische Bedeutung bei. Eine Zeitung, die „heutzutage politisch ernst genommen werden will, muß in oder in die unmittelbare Nähe der Hauptstadt ziehen“. Auf Hochtouren wird in diesen Tagen bei der JF für die Umstellung auf ein Wochenblatt gearbeitet – vorgesehener Start ist Januar 1994. Bis zum Herbst sollen zwei Millionen Mark zusammen sein, um die Kommanditgesellschaft zu gründen und mit zehn Redakteuren Verträge abzuschließen.
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