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Unterm Strich

In unserer beliebten Serie „Bürger beobachten die Hauptstadt“ sind heute wieder Fortsetzungen fällig. Thema Numero 1 ist immer noch das fiktive Stadtschloß. Herr Diepgen zum Beispiel, seines Zeichens Hauptstadtbürgermeister, hält die gelben Plastikplanen für einen „wichtigen Beitrag zur städtebaulichen Diskussion“. Immer auf dem Weg zum Metropolen-

niveau, machte er in bewährt vorwärtsschauender Manier eine Vorgabe und erklärte: „Wenn es moderne Architektur nicht schafft, dann muß auf Architektur von gestern zurückgegriffen werden.“ Das ist sehr berlinerisch. Zwar widersprechen sich die Meinungsumfragen zum Wiederaufbau ständig, aber mittlerweile müßte auch dem Wahlberliner klar sein, daß es sich nicht nur um eine Attrappe, sondern nachgerade um eine Schimäre handelt. Das gibt in der Zwischenzeit sogar der Geschäftsführer der Veranstaltungs- und Präsentationsgesellschaft mbH, Herr Knut Herbst, zu. Unter dem einsichtigen Titel Sommer im Schloßhof – Eine Illusion gibt er die Pleite und damit das Ende aller dortigen Veranstaltungen bekannt. Während sich die Ausstellung zur Geschichte des Berliner Stadtschlosses im Inneren der gleichnamigen Attrappe zu „dem Spektakel des Sommers 93“ hochstilisiert (sehr, sehr berlinerisch), haben Herrn Herbst zufolge aber „die kühle Atmosphäre des Zeltes und die Qualität der Gastronomie“ dazu beigetragen, daß sich „die Popularität des Spektakels Schloß einschließlich Fassade“ nicht wirkungsvoll auf den Veranstaltungsbereich niedergeschlagen hat. Ganz traurig das, ganz unverständlich, dafür ganz berlinerisch.

Fortgesetzt werden muß die ebenfalls traurige Geschichte des Berliner Schiller Theaters. Unter dem trockenen Motto „Positionen, Struktur, Theaterkultur und Theaterreform“ begann Ende letzter Woche dort ein Sommerprogramm, mit dem Einfluß auf die bevorstehende endgültige Entscheidung über die Staatlichen Schauspielbühnen genommen werden soll. Nach einem Vortrag des Berliner Literaturwissenschaftlers Peter Wapnewski über das „Vermögen (!!!) der Kultur“, schockte am Freitag abend Theaterprofessor Ivan Nagel, ehemals Senatsberater in Theaterangelegenheiten, die interessierte Zuhörerschaft mit einem, wie er selbst einräumt, „grauenhaften Vorschlag“. Das Schloßpark- und das Maxim-Gorki-Theater empfiehlt er für die Schließung und das Ensemble des Schiller Theaters mit Werkstatt für eine Reduktion um die Hälfte auf 40 Mitglieder. Die Staatsbühnen hätten schon seit Jahren kein funktionierendes Ensemble mehr gehabt, ihr Publikum sei „leblos“: „Ich saß zwischen Blinden und Tauben.“ Nach dem erwartbaren Aufschrei des bisherigen Chefdramaturgen des Gorki-Theaters gab es Krach zwischen Nagel und Schiller-Regisseur Leander Haußmann. Der soll in einer Kneipe die Schließung des „Scheißtheaters“ verlangt haben. Iiiih!

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