Nostalgie der Punks

■ Kesseltreiben wegen 15 Jahren Change-Musik

Gegen 22.00 Uhr am Mittwochabend vor dem Schlachthof: Überall stehen Grüppchen von Menschen in angeregter Unterhaltung, einige von ihnen sehen aus wie Punks.

Der bemerkenswerte Anachronismus, der sich hier gerade abspielt, fällt der/dem unbedarften BesucherIn erst einmal gar nicht auf. Die meisten der Herumstehenden waren damals vor 10 Jahren auch schon hier und darum geht es heute eigentlich auch.

Die Bands, die da gleich im Keller spielen, sind die personifizierte Erinnerung an die frühen Tage der Bremer Punk-Szene: Zum Anlaß des 15. Geburtstages von Change- Musik kamen die Original-Altvorderen noch einmal zusammen.

Daniel ist heute Ende 20 und hat damals bei der legendären Formation MVA Bass gespielt. Einen Unterschied zu damals sieht er später auf der Bühne nicht: „Ich glaube, daß es diesmal sogar mehr Spaß machen wird, weil die Konzerte früher doch teilweise ziemlich heftig waren.“ Zwar war 1982 auf Konzerten noch alles intensiver, Punk sei irgendwie noch „akuter“ gewesen, aber so richtig nachtrauern tut dieser Zeit hier niemand mehr.

Nina ist mit ihren 22 Jahren noch fast das Nesthäkchen heute abend, aber das war sie eigentlich schon immer. Auch ihrer Meinung nach kann von einem Wiederaufleben der Vergangenheit bei ihr nicht die Rede sein. Trotzdem muß sie lachen, als sie erzählt, wie sie mit 11 Jahren mit ihrer Mutter zusammen auf den ersten Konzerten war.

Inzwischen, bekennt sie, ist sie eher „punkrock für mich selbst“, ist immer noch in der Szene aktiv, jedoch ist die Basis eine ganz andere geworden: „Im Gegensatz zu damals bin ich heute nüchtern, bin alleine mit meinem –Lebensgefährten' hier und nicht im großen Mob. Ich denke, ich komme auch wieder heile und nüchtern nach Hause. Ist ja irgendwie nicht so geil, aber das sind Sachen, die kann man irgendwie nicht wiederholen.“

Als dann die erste Band, NEBENWIRKUNG aus Bremen- Nord, spielt, wird es im Magazinkeller rappelvoll. Die alten Männer auf der Bühne lachen und der Sänger sucht immer wieder seine alten Textblätter. Die heftigen Stücke dauern kaum länger als eine Minute, so daß sich die Band entschuldigt: „Tut uns leid, die Lieder waren damals halt kürzer, so wie wir auch.“

Quaddel ist 30 Jahre alt und vermisst ein wenig den „Klassentreffencharakter“ dieser Veranstaltung, die meisten der hier Anwesenden hätten sowieso noch Bezug zur Szene, nur treffe man sie sonst „nicht so geballt.“

Solche Feststellungen wären ihm vor 10 Jahren nicht mehr möglich gewesen, denn da meint er, „hätte ich schon lange irgendwo in der Ecke gelegen, nachdem ich irgendwie durchs Fenster rein bin oder mir den Stempelaufdruck gefälscht habe.“

Von nebenher dringen derweil diverse Gespräche herüber, wie das zum Beispiel 86 in Huchting war, als „die Bullen das Freizi gestürmt haben.“

Schließlich haben die MIMMIS fertig gespielt und die etwas nervösen MVA kommen auf die Bühne, machen zwar einen etwas „unpunkigen“ Eindruck, wie einige Zuschauer bemerken, aber sie scheinen verdammten Spaß zu haben und, im Gegensatz zu vor 10 Jahren, tanzen diesmal sogar einige Anwesende.

h-no