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Im S-Bahn-Verkehr ging gar nichts mehr

■ Totalausfall im Stellwerk: Drei S-Bahnen blieben stehen, 30 kamen zu spät / Siemens: „Das kann wieder passieren“

Es war, als wenn jemand den Stecker herausgezogen hätte: Gestern morgen um 4.54 Uhr blieben zwischen der Station Potsdam- Stadt und Wannsee drei S-Bahnen stehen. Der Computer im Stellwerk Wannsee war „ausgestiegen“ und schaltete alle Signale auf Rot. Erst ein von der Firma Siemens alarmierter Experte schaffte es, den Rechner gegen 6 Uhr wieder in Betrieb zu setzen. Die drei Züge konnten endlich weiterfahren. In der Folge kamen insgesamt 30 Züge zu spät oder fielen ganz aus, wie die Deutsche Reichsbahn gestern mitteilte. Ersatzbusse wurden eingesetzt, die Fahrgäste der stehengebliebenen Züge mußten auf freier Strecke aussteigen.

Bis gestern abend war der Fehler in der Rechenmaschine, die für den S-Bahn-Verkehr Signale schaltet, Weichen stellt und dies im Stellwerk dem Bahnpersonal auf Bildschirmen anzeigt, noch nicht gefunden worden. Offenbar konnte das Gerät aber nicht die Menge Daten verarbeiten, die in den frühen Morgenstunden anfielen, erläuterte Rainer Ibowski, Pressesprecher für Verkehrstechnik bei Siemens in Erlangen, gegenüber der taz. Im Fall der Überforderung schalte der Rechner aus Sicherheitsgründen ab und schalte alle Signale auf Rot. Es werde vermutet, daß ein Computerprogramm nicht richtig funktioniere.

Der Rechner zählt nach Angaben von Reichsbahn-Sprecherin Barbara Kraßke zu den modernsten im Eisenbahnverkehr. Gemeinsam mit einem zweiten Modell im Stellwerk Westkreuz sind beide Anlagen erst Anfang Juli in Betrieb genommen worden. Seitdem seien öfter Fehler passiert, berichtete Siemens-Sprecher Ibowski, und dafür gebe es auch einen einfachen Grund. Weil erst nach ihrer Inbetriebnahme der Intercity Expreß (ICE) zum Bahnhof Zoo fahren konnte, habe man die Rechner nach „extrem kurzer Bau- und Probezeit“ eingeschaltet. Nur anderthalb Monate lief die Anlage im Versuch, die auf 35 Kilometern schaltet und waltet – in einem vergleichbaren Fall auf dem Rangierbahnhof München-Nord dauerte der Test dagegen vier bis fünf Monate. Der ICE sollte ursprünglich am 23. Mai zum Bahnhof Zoo fahren, doch der Termin mußte dann bereits auf den 3. Juli verschoben werden. „Im Grunde war deshalb damit zu rechnen, daß es während des Betriebs Probleme geben wird“, räumte Ibowski ein, der von dem Totalausfall allerdings auch überrascht war. Man müsse damit rechnen, daß es zu einem erneuten „Ausstieg“ der Elektronik kommen wird. Die Reichsbahn hat gestern deshalb auch gleich Konsequenzen gezogen. Ab sofort ist ein Siemens-Experte 24 Stunden vor Ort, der die Anlage innerhalb von fünf Minuten wieder einschalten kann. Zusätzlich werden Protokollgeräte angeschlossen, die ähnlich einem Flugschreiber die letzten Schaltvorgänge aufzeichnen. So könne der Fehler schneller gefunden werden, meinte der Siemens-Sprecher. Und an einer Lösung des Problems ist der Elektrokonzern stark interessiert. Ibowski: „So etwas nagt am Image.“ Dirk Wildt

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