Village Voice
: Mittleres Spaßniveau

■ Gelegt, gelost, gegratwandert: Okayer Rock von Desmond Q. Hirnch

Potsdam feiert seine Tausendjahrfeier und poliert sich an allen Schloßecken und Häuserenden, um dem schnöden 750-Jahr-Fest der Berliner möglicherweise den Rang abzulaufen. Von jeher schmutziger geht es unter diesen Festivitätsoberflächen im Rockbereich zu, im positiven Sinn und oft frei von allen Profilneurosen. In Potsdam sorgen dafür unter anderen vier Herren im dezent- schmuddeligen Langhaar-Grungy-Look, die ihre Band Desmond Q. Hirnch getauft haben – ein Name, den man auch nach mehrmaligem Aussprechen noch nicht so richtig von der Zunge kriegt, geschweige denn, ihn sich zu merken.

Sowas denkt man sich beim sogenannten Scrabble-Spiel aus, dessen Erfinder bekanntermaßen vor ein paar Monaten gestorben ist, lustig, lustig. Den Namen der Debüt-LP legt und lost man dann gleich mit, in schöner Abfolge regelgemäß nach Konsonanten und Vokalen und was sonst noch so geht. Ganz sinnentleert heißt das Album folglich „Tomb Denz Fussel“, wobei Fussel auch für den Namen ihres Toningenieurs stehen kann, immerhin. Auf diesem Spaßniveau beginnt ihr Album mit einem Intro, das sich stark nach verquaster Liebeslyrik anhört: „If I Could Fall/In A Land Without Trees/You're On My Side/You Could Be A Tree/And I'm Not So Sad/Like I Would Be“. O weh!

Im Anschluß daran geht es aber recht ordentlich zur Sache, es wird auf Baß und Drums eingedroschen und die Gitarren machen sauber schrumm-schrumm, so wie wir es immer wieder gerne hören und den Hals (die Ohren) nicht voll genug bekommen können. Noisy und feedbackig schichten Desmond Q. Hirnch einen Lärmflöz auf den anderen, und manchmal wird dem einen oder anderen Songbogen auch noch eine Melodie abgerungen.

Natürlich gibt es auch Auflockerungen durch andere Instrumente und so breakt in dem Song „Special“ eine Trompete die Noise-Schleifen und taucht auch an anderen Stellen immer mal wieder auf. Der gute Ton macht eben die Musik, und wenn man noch andere als die klassischen Rockzitate beherrscht, muß das auch demonstriert werden, keine Frage. Dazu kommt dann noch, daß man sich als aufstrebende Rockband immer wieder mal in einem Stadion verirren kann, ein Fall, für den Desmond Q. Hirnch auch Vorsorge getroffen haben, indem sie zwei zähe Songs mit Hymnencharakter spielen, „Too Blind To See“ und „Nowhere“.

So bedienen DQH doch so einiges an Klischees, und mit einer Portion Bosheit kann man den Versen eine etwas laue Monotonie, einen Songaufbau nach Schema F vorwerfen sowie eine etwas zu glatte Erfüllungsgesinnung an die Erwartungshaltung, die vorschreibt, wie eine typisch „zeitgemäße“ Rockplatte sich anzuhören hat. Schönheitsfehler, die allerdings übertroffen werden von so behämmerten Songtiteln wie „Take Up Thy Stethoscope And Walk“ oder „Catastrophe“, die da kommen soll, musikalisch übrigens ein gut und schwer und mütig dahinrollendes Stück.

Das Ende wird dann noch mal mit den Eingangszeilen und ohrwurmigen Akustikgitarren bestritten, und zwar ganz Nirvana- effektmäßig: Nach einer fünfminütigen Pause auf CD und in den Lautsprechern setzt „Tomb Denz“, so heißt dieser Song, jawohl, nochmal ein und überrascht so manchen nächtlichen Hörer, der sich, betrunken oder auch nicht, mit dieser Musik in den Schlaf wiegen will. (Was es ja geben soll!)

Trotz einiger Peinlichkeiten ist „Tomb Denz Fussel“ eine runde Sache, einzuordnen – um in der Stadt zu bleiben – irgendwo zwischen 18th Dye und den Quartered Shadows, mit denen sie schon, ganz logisch, das Noise Spring Festival im Loft bestritten hatten. Dort erlaubten sich Zehle, Liebchen, Rödel und Noack (so die liebenswerten Kosenamen der Jungs) den Scherz, statt Nebel ein paar Tischtennisbälle mit Namenszug zu versprühen, und lieferten mit dieser Aktion einen weiteren Beweis ihrer Gratwanderung zwischen fehlgeleiteter Imageförderung, von ihren Fans auch als Ausgelassenheit gedeutet, und okayer Musik. Gerrit Bartels

Desmond Q. Hirnch: „Tomb Denz Fussel“ (Somehow Records, Potsdam)