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Betr.: John Wesley

Wenn eine Stilepoche zu Ende geht und ihre Vertreter noch am Leben sind, verschiebt sich das Interesse vom Input des Ganzen auf die Biographien. Weniger große Namen und die dazugehörigen Lebenswerke öffnen neue Korridore in die Vergangenheit.

Das gilt auch für das Werk des Pop- art-Künstlers John Wesley, der mit seinen Gemälden im Frankfurter Portikus gezeigt wurde (jetzt im Stedelijk Museum, Amsterdam, bis zum 10. Oktober), und dessen Gouachen, fast durchweg Vorstufen zu den Gemälden, die Galerie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin zeigt. Allerdings sehen Wesleys Arbeiten zunächst homogener aus als sie sind. Das liegt daran, daß Wesley drei Lieblingsfarben von Pop- Künstlern schwer strapaziert: grün, hellblau und rosa; Flora, Wasser und die stilisierte Farbe des Fleisches. Wesley zeigt seine lebenden Motive als Embleme, bar jeder Intelligenz: das fünffach ins Bild gebrachte Mädchen auf „Daddy's Home“ (1972) stakst Vati mit dümmlich aufgerissenem Zwei- Zähne-Mund entgegen; augenlos sitzt eine männliche Figur in schematischem Interieur („Untitled, Man Regarding Couch“, 1987); selbst die Stiere wirken noch ein bißchen dümmer als im Comic strip. John Wesley ist gegenüber seinen Figuren zynisch, und im Bau der Komposition penibel, versessen auf Effekte, Tricks, Details – und sei es, daß ein Fuß das bewußt begrenzte Farbfeld gering überragt, die Künstlichkeit des Bildes betonend (das Wesley jugendstilmäßig wie ein Schild, wie eine Vignette behandelt).

John Wesley, 64, vor zwanzig Jahren zuerst in Europa gezeigt, scheint sich mit seiner Arbeit von den Einflüssen New Yorks, wo er lebt, fast völlig abgekoppelt zu haben; innerhalb eines enggefaßten Modus operandi ist er auf der Suche nach dem perfekten Bild – eins, das so aussieht, als habe es schon immer existiert, und das sich beim Betrachten wie ein Fächer schließt, Auskunft über Regeln und Regelbruch verweigernd. Man kann nicht behaupten, daß er es sich leicht macht, mit seriellen Schattenrissen, Mustern wie beim späten Matisse und gigantischen Körperdetails, die in der Fläche aufgehen (wie bei Rosenquist); nicht unbedingt kompatible Programme. Selbst David Hockneys kühle Ausblicke wirken lyrisch im Vergleich mit Wesleys handwerklichem Craze. Mal zeigt sich Wesley besessen vom Horizont, dann beschränkt er sich wieder aufs tektonisch gefügte Interieur (oben: „Yellow Couch“, 1986). Es ist eigenartig. Einerseits bedient sich Wesley an den Klischees von Werbung und Illustration, andererseits sucht er auf schon fast aufdringlich unspektakuläre Weise malerische Exzellenz. Im Katalog wird er mit Magritte verglichen: zuviel der Ehre. (John Wesley, Gouachen 1961–1992. daad-Galerie, Kurfürstenstraße 58, Berlin, bis zum 26.9., täglich 12.30–19 Uhr).

Ulf Erdmann Ziegler

Abb.: Katalog

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