piwik no script img

Wie aus der Pistole geschossen

■ Mit der Knarre vom Balkon: Antwort eines Nachbarn auf Jungenstreich

Ein Jungenstreich: Der 14jährige Torsten sammelte zusammen mit seinen Freunden Eicheln und warf sie gegen das Fenster von Rudolf S., einem älteren Mann aus der Nachbarschaft. Die Jungen wollten den Mann ein bißchen ärgern: „Wir wissen, der regt sich leicht auf.“ Als sie weglaufen wollten, trat Rudolf S. auf seinen Balkon raus und schrie: „Bleibt stehen, ihr Arschlöcher!“ Und dann - schoß er.

Torsten hörte den Knall, sah einen Federpfeil und spürte dann einen Stich unterhalb der rechten Kniescheibe. So schilderte der Verletzte gestern im Bremer Amtsgericht den Vorfall, der sich im vergangenen Dezember ereignet hatte. Als der Angeklagte Rudolf S. erzählte, was sich zugetragen hat, klang alles ganz anders: Die Kinder hätten zum wiederholten Male den Rasen vor seiner Wohnung betreten, und das sei schließlich keine Spielwiese, sondern ein Zierrasen. Außerdem hätten sie Steine gegen die Fensterscheiben geschmissen.

„Irgendwann hat man die Hutschnur voll und reagiert halt irgendwie“, sagte Rudolf S. gestern vor Gericht. Außerdem behauptete er, mit seiner Gaswaffe könne man keine Federpfeile abfeuern. Und überhaupt: „Der Junge kann sich auch selbst verletzt haben. Da sind viele Dornenbüsche“, gab der Angeklagte zu Bedenken. Als der Richter ihm die Schußwaffe zeigte und meinte, die sähe aber furchterregend aus, lachte der Angeklagte nur: „Die habe ich noch nie benutzt. Da kann man ja auch nichts mit machen.“ Das mochte ihm das Gericht aber nicht so recht glauben und ließ Fremdgutachten erstellen.

Demnach funktioniert die Pistole bei Präzisionsbolzen (Federpfeilen) einwandfrei. Ein Kinderarzt bestätigte den Einstich an Torstens Knie. Als „absolute Überreaktion“ bezeichnete der Richter die Tat des Angeklagten und verurteilte ihn zu 80 Tagessätzen a 15 Mark. Die Gaswaffe wollte der Richter einziehen, der Angeklagte verzichtete freiwillig darauf. Als

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen