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SanssouciVorschlag

■ Filme zur Revolte, Teil II

Einst als „Bewegungsfilme“ zum unmittelbaren Verzehr durch die Aktionisten und zur raschen Aufklärung der Zuschauer über die wesentlichen Zusammenhänge Staat–Krieg– Kapital–sexuelle Ausbeutung gedacht, haben die Filme von und über 1968 mittlerweile die zarte Patina des historischen Dokuments angesetzt. Das unermüdliche Haus der Demokratie zeigt nun im zweiten Teil der Reihe „Filme zur Revolte“ einige Beispiele dafür, wie mißtrauisch das Agitprop-Kino der frühen Jahre noch den Bildern gegenüber war. So ist zum Beispiel Haroun Farockis „Napalm“ eine Bebilderung der These Bert Brechts, daß man einer Fotografie des AEG-Konzerns nicht ansieht, wie er funktioniert. Der Film beginnt, in Antizipation des Rainald-Goetzschen Selbstverletzungs-Pathos mit einer Demonstration der Napalm-Wirkung anhand einer auf dem Arm des „Erzählers“ ausgedrückten Zigarette. Dann folgt eine Art lehrstückhafter Comic strip. Die Protagonisten sondern in einer als Firma und Labor fungierenden Kulisse Sätze ab, wie sie sich der Student vorstellte: „Ein chemischer Konzern ist wie ein Baukasten. Wir lassen jeden nur an einem Baustein arbeiten. Das ist schon aus Gründen der Geheimhaltung besser.“

„Amerikanisch“ wird zum Synonym jenes grausam-naiven Kriegstreibertums, das mit Mickymaus und CS-Gas gleichermaßen arbeitete. Dem Film allein mißtraute man als Teil der Illusionsmaschine, die schließlich auch Teil des großen Imperiums war. Brechtsche Zwischentafeln, Wiederholung einzelner Bilder, Vortrag der Texte mit jener stoischen Distanz – das Agitprop- Theater sollte die Macht der Bilder zügeln. Der Film schließt mit dem berühmten Paradoxon. Einer, der sich als Ingenieur vorstellt, sagt: „Meine Frau möchte so gern einen Staubsauger. Ich nehme mir jeden Tag ein Einzelteil aus der Firma mit. Aber wie ich es auch mache, es wird immer ein Maschinengewehr draus.“

Viel Biographisches ist auch dabei. „Wie alles anfing“, will Helga Reidemeisters „Rudi Dutschke – Spuren“ herausfinden, während „Holger Meins – ein Versuch“ ein Porträt des Terroristen als junger Künstler entwirft, der schon vom Pfadfindertreffen in England Selbstgemaltes mit gemeinen Frauenbrüsten und Munch-haft aufgerissenen Augen schickt. Im Film erscheinen neben historischen Dokumentaraufnahmen auch Ausschnitte aus Meins-eigenen Filmen, die sich zum Teil eng an die amerikanische Tradition des Radical Cinema anlehnten. Ein kurzer Fernsehauftritt Ulrike Meinhofs als die Journalistin, die in Konkret offene Briefe an die persische Kaiserin verfaßt hatte, ruft in Erinnerung, wie sich die Figur „linker Journalist“ verändert hat. Gelassen demonstrierte die Meinhof die ungebrochene Überzeugung, daß ihre Arbeit die Steine zum Rollen bringen konnte (auch wenn sie diese Überzeugung bald aufgab).

Absolut zu empfehlen sind die Kurzfilm-Zusammenstellungen des „revolutionären Arbeiter- und Studentenkinos Freiburger (RoStA-Kino), in denen man selten gezeigte vietnamesische Propagandafilme von der Bombardierung Hanois und der Mobilmachung in der Stadt sehen kann. Alles vom Krieg ist zu sehen: vom händeschütteltenden Ho Chi Minh über lächelnde Vietkong-Mädchen, bis hin aber auch zu dem jungen Bauern, der seine Eltern aus einem Schutzgraben ziehen muß, in den die Amerikaner eine Handgranate geworfen hatten. mn

Bis zum 26.9. im Haus der Demokratie, Friedrichstraße 165

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