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Preußen und der schwarze Block

■ Morgen spielt Oberligist Altona 93 im DFB-Pokal gegen den Erstligisten Borussia Dortmund

Wenn Altona 93 am Sonnabend um 15 Uhr auf Dortmund trifft, werden auch die Fans von der Gegengerade nicht fehlen. Vom Viertligisten in den vergangenen Jahren nicht gerade mit sportlichen Erfolgen verwöhnt, entwickelten rund 50 Anhänger gehörig Phantasie, um dem drögen Gebolze dennoch etwas Spaß abzugewinnen. Darum ist es für die – nach eigener Einschätzung – politisch linken Fans nur konsequent, dem profanen Ballsport mit einem selbstironischen Anspruch zu begegnen. Die Polonäse, eigentlich Symbol zutiefst schunkelbürgerlichen Amüsements, gewinnt in der Interpretation des schwarzen Blocks nachgerade subversive Qualität – wie das bei Selbstinszenierungen der angeblich etwas anderen Art halt ist.

Auf den ersten Blick ist es eine merkwürdige Allianz, jene zwischen den vier Dutzend Fans und dem gutbürgerlichen Traditionsverein, der noch immer die Farben des preußischen Reiches auf dem Trikot führt. Vor drei Jahren wurde die schwarz-rote Griegstraßen-Koalition aus der Taufe gehoben. „Alle waren schwarz gekleidet“, erinnert sich Peter Ehlers, ein ehemaliger 93-Spieler, der zuerst dachte: „Was wollen die denn hier?“ Anfänglicher Skepsis wich Begeisterung. „Das sind die besten Fans der Liga“, hat Manager Jörg Franke mittlerweile erkannt.

Die Aktiven sind ebenfalls voll des Lobes, obgleich den Spielern bis heute nicht klar ist, weshalb gerade ihnen der besondere Zuspruch zuteil wird. „Bei uns ist Fußball kein Kommerz“, vermutet Libero Andreas Klinkmann. Die Fans bestätigen dies: „Geld ist nebensächlich, ehrlicher Fußball zählt.“ Spielerische Kreativität steht dabei weniger im Vordergrund, eher körperbetonter Einsatz: Den Namen (Adolf-Jäger)-Kampfbahn trägt der Sportplatz zu Recht. Gleichfalls wichtig für die Befindlichkeit der Fans und Indiz für Zuschauernähe sind intakte Kommunikationsstrukturen. „Es ist nicht so anonym wie anderswo“, sagen die Fans und meinen damit auch den FC St. Pauli.

Überhaupt St. Pauli – dieses Thema verursacht Uneinigkeit im Fanblock. Einige huldigen zwar dem Zweitligisten mit dem basisnahen Image, doch Distanz überwiegt: „Vieles ist dort reiner Hokuspokus.“ Der Vorwurf: „Manche Pauli-Fans meinen, ans Millerntor zu gehen, wäre bereits politisch.“ An Identitätsbildung qua Fußball ist den Altonaer Fans nicht gelegen, die dennoch ihr Bewußtsein nicht zu Hause lassen: „Wir wollen nicht missionieren, aber rassistische Parolen lehnen wir ab.“ An eine Bekehrung der Spieler glauben die Unorthodoxen sowieso nicht.

AFC-Manager Franke akzeptiert das Mindestmaß an politischer Korrektheit. „Gegen Nazis, das kann ich teilen“ und denkt dabei an gemeinsame Aktionen gegen Intoleranz. Ein linker Verein, was immer das heißen mag, ist Altona 93 jedoch nicht. „Wir sind keine autonome Mannschaft“, betont Spieler Sebastian Breuss. Den Fans kommt dies ganz gut zu passe, schließlich bedürfen sie des bürgerlichen Umfeldes, um als etwas Besonderes durchgehen zu können.

Rainer Schäfer

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