: Wettstreit im Rasenmähen
■ Innerstädtische Wiesenpflege wurde privatisiert / ÖTV kritisiert: teurer als vorher
Nennen wir ihn Gottfried Schulz. Schulz mäht seit Jahr und Tag die 100.000 Quadratmeter Rasen in den Wallanlagen und der restlichen Innenstadt, mit Großflächenmäher und Handmäher. Damit ist Gottfried Schulz von Mitte April bis Oktober beschäftigt. Für ihn selbst sowie für seine Urlaubs- und Krankheitsvertretung hat das Gartenbauamt Bremen bislang rund 30.000 Mark Lohnkosten pro Jahr berappt, hinzu kamen 15.000 Mark Maschinen- und Verwaltungskosten. Macht zusammen für den Cityrasen 45.000 Mark.
Seit Januar aber ist alles anders: Seitdem heißt das Gartenbauamt „Stadtgrün Bremen“, ist ein selbständiger Betrieb und damit zu Veränderungen angehalten, zum Beispiel zu Privatisierungen. Und so kommt es, daß jetzt zwei Privatfirmen die innerstädtischen Rasen mähen – für 62.700 Mark im Jahr. „Ein wahrer Schildbürgerstreich“, schimpft die ÖTV, die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr.
Alles Unsinn, schimpfen die Oberen von „Stadtgrün Bremen“ zurück. Die Privatisierung des Rasenmähens habe man sich sehr genau überlegt. Anlaß sei der Weggang des Kollegen Waldemar zu einer anderen Firma gewesen. Damit fing die Malaise an: Aus den eigenen Reihen habe man keinen Mähfahrer rekrutieren können. „Alle, die halbwegs fahren können, haben schon eine Maschine“, sagt Dieter Heuer, Bezirksingenieur Stadtmitte, „neue Fahrer dürfen wir aber nicht einstellen“. Außerdem habe der Großflächenmäher ersetzt werden müssen, das hätte mit 64.000 Mark zu Buche geschlagen. Was habe also näher gelegen, als die ganze elende Mäherei an Private zu vergeben?
Aber die sind um 40 Prozent teurer, rechnet die ÖTV vor. Ja, aber doch nur dieses Jahr, stellt Dieter Heuer richtig. Und daran sei allein die Politik schuld: Die habe erst im Mai die Gelder bewilligt. Im Mai aber haben Privatfirmen ihre Auftragsbücher längst voll, sind also auf's Stadtgrün nicht besonders angewiesen. Hätte man im Januar Angebote einholen können, wäre das Privatmähen sicher nicht teurer als das Staatsmähen gekommen, sagt Heuer. Und nicht zuletzt: Hätte man schon im April mähen können, statt erst im Juni die hochgeschossenen Gräser wegräumen zu müssen, wäre das auch billiger gekommen, so billig wie bisher.
Also doch kein Schildbürgerstreich? Hinter der Kritik der ÖTV an diesem Einzelbeispiel steckt die Wut gegen all die Auslagerungen von gärtnerischen Aufgaben an Private. „Wir wollen nur die Spitzen, etwa zusätzliche Aufgaben durch einen Sturm, an Private vergeben, nicht ganze Objekte“, sagt etwa Klaus Schukowski, Gewerkschaftssekreträ der ÖTV Bremen. Er hofft auf Einsparungen durch die „Verbesserung von Abläufen“, wie er vage sagt.
Doch „Stadtgrün“-Chef Klaus Rautmann hat mittlerweile rund ein Viertel der Aufgaben an Private vergeben – probeweise. Schon länger privatisiert sind die Pflege des „Straßenbegleitgrüns“ und der Sandaustausch auf Spielplätzen, neu dagegen die gärtnerische Pflege von kleineren Friedhöfen. Vergeben will Rautmann möglichst nur ganze Objekte, denn was nützt es, wenn sich die Privatfirma eine große Rasenfläche schnappt und das arbeitsintensive Ummähen von Sträuchern mit dem Handmäher den staatlichen Arbeitern überläßt.
In manchen Bereichen sei man aber ohnehin billiger als Private, sagt Rautmann, zum Beispiel beim Bäumeausputzen: „Eine Privatfirma hat doch gar nicht so viele Aufträge, daß sie ihren teuren Hubsteiger samt Besatzung das ganze Jahr laufen lassen kann.“ Am Jahresende will man Bilanz der Probeläufe ziehen. Der ÖTV-Gewerkschaftssekretär Schukowski läßt sich von solcherart privatwirtschaftlichem Gebaren nicht beeindrucken: „Es kann doch nicht angehen, daß nach all den Jahren auf einmal experimentiert werden muß, ob Private günstiger arbeiten – das kann ich auch so ausrechnen“, sagt der gelernte Kaufmann.“ cis
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