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Feuer-Fritzes heißer Ritt

Umweltsenator Fritz Vahrenholt pfeift auf Öko-Bilanzen, um sein neues „Müllkraftwerk“ am Rugenberger Damm zu füttern  ■ Von Marco Carini

Seit Montag herrscht hektischer Betrieb auf der Baustelle am Rugenberger Damm. Die Bagger wühlen das Erdreich auf, Betonpfähle werden tief ins Erdreich gerammt. Die Zeit drängt, denn bis zum Frühjahr 1999 soll auf dem Gelände am Fuß der Köhlbrandbrücke Hamburgs niegelnagelneue Müllverbrennungsanlage – oder im Umweltneusprech des Hamburger Umweltsenators Fritz Vahrenholt: Hamburgs neues „Müllkraftwerk“ – stehen.

320.000 Tonnen Abfälle sollen hier jährlich in Flammen aufgehen. Nur so, weiß Anti-Ökochonder Vahrenholt, sei der Müll-Ausstieg Hamburgs aus der Skandal-Deponie Schönberg zu bewältigen. Doch bekannt ist längst: Allein für Hamburgs Müll wird die neue Anlage nun wirklich nicht gebraucht. Um die Schlote überhaupt auszulasten, verpflichtete die Hamburger Stadtreinigung die niedersächsischen Landkreise Rothenburg-Wümme, Soltau-Fallingbostel, Stade und Harburg, ab April 1999 mindestens 120.000 Tonnen Abfälle pro Jahr an den Rugenberger Damm zu liefern.

Trotzdem bleibt der Müll knapp: Weil das Hausmüllaufkommen zurückgeht, haben die Betreiber der Abfallöfen bundesweit größte Probleme, ihre Anlagen auszulasten – im harten Standortstreit kämpfen sie um jede Müll-Tonne: Statt Notstand, wie von Vahrenholt behauptet, gibt es längst Verbrennungs-Überkapazitäten. Günther Dehoust vom Darmstädter Öko-Institut ist deshalb sicher: „Wir brauchen keinen Zubau an Abfallöfen mehr“.

Vahrenholt scheren solche Aussagen nicht. Um mehr Müll zu verbrennen, aktivierte er in den vergangenen Wochen seine Kampagne gegen die grünen Punkte und gelben Säcke des Dualen Systems (DSD). „Es muß endlich Schluß damit gemacht werden, daß jede Verpackung, von der Fischdose über den Joghurtbecher bis zum Mini-Kaffeesahnebehältnis ,verwertet' wird“, fordert „Feuer-Fritze“ (GAL-Spott). Besonders Kunststoffverpackungen – mit Ausnahme von großen Hohlkörpern und Folien – sollten doch bitte in Zukunft wieder verbrannt und so die „Ökobilanz ins Haben“ gebracht werden.

Mit dieser Meinung ist Vahrenholt allein auf weiter Flur. Längst haben zahlreiche Ökobilanzstudien belegt, daß sämtliche Varianten des Kunststoffrecyclings umweltfreundlicher sind als dessen Verbrennung – selbst wenn daraus wieder Fernwärme entsteht. Olaf Bandt, Abfallexperte des BUND, klagt etwa: „Hamburgs Umweltsenator setzt sich für die ökologisch schlechteste Lösung ein.“ Für Vahrenholts Feuer und Flamme für diesen Sack hat Bandt „überhaupt kein Verständnis“.

DSD-Sprecher Gunnar Sohn hält den Hamburger Umweltsenator sogar schlicht für „einen Pyromanen, der die gelben Säcke am liebsten alle in den Ofen schmeißen würde“. Den Grund dafür lokalisiert der DSD-Sprecher am Rugenberger Damm: „Dieser Politiker tyrannisiert unsere Arbeit, weil er seine Verbrennungsanlagen nicht vollbekommt.“ Sohn über Vahrenholt: „Der Mann ist vom Öko-Paulus zum Öko-Saulus geworden.“

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