: Weg in den Reißwolf
■ Ullstein-Propyläen nimmt rechtslastiges Buch aus dem Programm. Der „Weg in den Abgrund“ muß neu geschrieben werden.
Berlin (taz) – Die wissenschaftliche Reputation des Göttinger Studienrats Karlheinz Weißmann war schon futsch, als der Ullstein- Propyläen Verlag Ende 95 die Fahnen zum IX. Band der „Geschichte Deutschlands“ an die Rezensenten verschickte. „Der Weg in den Abgrund“ hieß das 503 Seiten starke Werk über die nationalsozialistische Zeit, in dem auch ein paar Passagen über die Ermordung der Juden zu finden waren und ein Klammersatz über die Aktivitäten der Einsatzgruppen in der Sowjetunion. Gelobt wurde das Werk nur im rechtskonservativen Ostpreußenblatt und in einigen nicht zitierwürdigen braunen Blättern.
Jetzt, ein halbes Jahr nach dem Erscheinen, hat die neue Führung des Ullstein-Propyläen Verlages den umstrittenen Band aus dem Programm genommen. Dies berichtete Die Welt unter Berufung auf den Verleger Wolfram Göbel. Nach monatelangen Verhandlungen vor einem Berliner Gericht und einer Abstandszahlung von 80.000 Mark verzichte Weißmann auf seine Forderung, das Buch weiter zu vertreiben. Eine neue Fassung will Weißmann, der die Rechte an dem Buch besitzt, bei dem Münchner Verleger und früheren Ullstein-Teilhaber Herbert Fleissner herausbringen. Fleissner und der frühere Cheflektor des Ullstein Verlages, Rainer Zitelmann, sind dafür verantwortlich, daß dem NS-Experten Hans Mommsen der Auftrag, das Werk zu schreiben, entzogen wurde und der Zitelmann-Freund, Runenforscher Weißmann, ans Ruder kam. Von dem neurechten Coup sollen die Herausgeber des Reihenwerks angeblich erst nach Drucklegung erfahren haben. (taz v. 12. 12. 95)
Laut Wolfram Göbel soll jetzt ein neuer Autor für einen neuen Band IX der „Propyläen Geschichte Deutschlands“ gefunden werden, ebenfalls für den noch ausstehenden Band zur deutschen Nachkriegsgeschichte. Göbel will mit dem Schritt offensichtlich auch das mit Herbert Fleissner verbundene Image der Rechtslastigkeit ändern. „Auch andere Autoren, die sich bei uns nicht mehr wohl fühlen, erhielten ihre Rechte zurück“, sagte er zur Welt. Wer diese Autoren sind, darüber kann man spekulieren. Vielleicht Bubik von der Jungen Freiheit? Oder gar die Revisionisten Röhl, Nolte und der FDP-Rechtsaußen von Stahl? Anita Kugler
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