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Marx gegen die Gesellschaft

Hamburger Professor kandidiert für NPD-nahes „Bündnis Rechte“ in Stade / TU-Chef schreibt einen ermahnenden Brief  ■ Von Ulrike Winkelmann

Zunächst einmal wundert sich Doktor Nikolaus Marx – auf den Titel legt er „allergrößten Wert“ – über das Interesse an seiner Person: „Daß ich mit 58 Jahren in der Tischtennis-Bezirksliga spiele, will doch auch niemand wissen.“

Und nun muß sich Marx, Professor an der Technischen Uni (TU) Harburg, ausfragen lassen, warum er als Parteiloser bei den Stader Kommunalwahlen für das „Bündnis Rechte“ kandidiert. Das „Bündnis Rechte“ ist ein Zusammenschluß von Mitgliedern der NPD, Republikanern und Parteilosen und stellt sich bei den Kommunal- und Kreistagswahlen am 15. September im Raum Stade zum ersten Mal zur Wahl.

„In jedem Land der Welt gibt es rechte und linke Parteien“, klagt Marx, „nur in Deutschland sind die Rechten immer die Bösen und werden in eine Ecke mit Schmutz und Dreck und Auschwitz gestellt“. Das müsse sich ändern, und deshalb wolle er mit seiner Kandidatur ein Zeichen setzen. Aber wegen der „Übermacht von SPD und CDU“ am Ort seien die Aussichten seiner Wählergemeinschaft auf Kreistagsposten leider schlecht.

Das Programm des rechtsradikalen Bündnisses besteht aus dreizehn so bekannten wie globalen Punkten: „Für Mütterschutz, gegen Abtreibung“, „für Deutschland und DM, gegen Bundes-welt-republik und Euro-Währung“ oder „für Gemeinschaft, gegen Gesellschaft“. Die Erklärung etwa der letztgenannten Forderung klingt nach Nazi-Tradition: „Aus einer 'Gesellschaft' kann man austreten, aus einer Volksgemeinschaft nicht.“

Auf lokalpolitischer Ebene hat Marx sich in seiner Gemeinde Drochtersen, zehn Kilometer nördlich von Stade an der Elbe gelegen, vor allem über den „Zwangsanschluß“ ans Abwasserkanalnetz geärgert, aber solcher Gründe bedurfte es nicht, um sich dem Bündnis anzuschließen. Bekannte braune Kader wie den Republikaner Heinz König oder den NPD-Kreisvorsitzenden Claus Dankers zählt Marx zu seinen Stammtischbrüdern: „Wenn ich mit den Leuten einer Meinung bin, stört mich deren Parteibuch nicht.“

Die Leitung der Technischen Uni ist über das Engagement des C2-Professors, Fachgebiet Fahrzeugtechnik, entsetzt. „Mich empört das; ich mißbillige das persönlich und als Präsident“, verkündet Präsident Hauke Trinks. Mehr als einen mahnenden Brief kann er dem Professor allerdings auch nicht schicken; eine öffentliche Diskussion an der TU sei „bisher nicht üblich“.

Der AStA der TU weiß zwar von Marx' Umtrieben und findet sie „ziemlich übel“, so AStA-Mitglied Maren Jesse, habe bisher jedoch nichts unternommen. Zum einen seien jetzt Semesterferien, zum anderen „kennen wir Marx auch gar nicht“. Marx ist erst seit kurzer Zeit an der TU; sein Studiengang „Gewerblich-technische Fächer“ wurde 1994 von der Universität nach Harburg verlagert.

Michael Quelle von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Stade weiß, daß das Bündnis Rechte bisher „keine große Kampagne“ veranstaltet habe. Die Nominierung der Kandidaten im Landkreis sei auch noch nicht abgeschlossen; insgesamt sei mit rund einem Dutzend Leuten zu rechnen. „Das Bündnis ist eindeutig NPD-dominiert“, meint Quelle. Einige Kandidaten hätten eine langjährige rechtsextremistische Biographie. „Offenbar möchte die NPD mit einer veränderten Bündnispolitik jetzt mehr Wählereinfluß gewinnen.“

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