Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 1

Ein praktischer Tip für „Dumm gelaufen“

Alle Leser, die sich mit dem ersten Satz in diesem Buch nicht auf Anhieb verstehen sollten, finden in diesem Kapitel eine kleine individuelle Auswahl, die einen persönlichen Einstieg in die Geschichte ermöglicht.

a) Eins über den Schädel kriegen, ist nichts. Am gleichen Abend zweimal hintereinander mit Drogen vollgepumpt werden, ist so furchtbar auch nicht. Afram, der Patient, hatte das aktuelle Tagesthema in der Beschäftigungstherapie vernommen: Chefarzt der Anstalt, der Pate eines florierenden Deals mit Medikamenten; mitten im Geschäft; auf dem Klo verhaftet.

b) Kathrin packte im Schlafzimmer den Koffer, während er auf die Terrasse ging, um die letzten Sonnenstrahlen auszunutzen. Aus dem Kinderzimmer hörte er das Geräusch des ferngesteuerten Rennautos. Afram, der Patient, hatte das aktuelle Tagesthema in der Beschäftigungstherapie vernommen: Chefarzt der Anstalt, der Pate eines florierenden Deals mit Medikamenten; mitten im Geschäft; auf dem Klo verhaftet.

c) Er hieß Hippo – wie Hippolyte. Er war schizo – wie schizophren. Er war siebenundzwanzig. Vielleicht dreißig. Schwer zu sagen. Afram, der Patient, hatte das aktuelle Tagesthema in der Beschäftigungstherapie vernommen: Chefarzt der Anstalt, der Pate eines florierenden Deals mit Medikamenten; mitten im Geschäft; auf dem Klo verhaftet – Nein, meine Grützwurst esse ich nicht ...

Einer fliegt aus dem Kuckucksnest – mit einer Garantie für Mord und Totschlag! Sein Name: Afram!

Afram, der Patient, hatte das aktuelle Tagesthema in der Beschäftigungstherapie vernommen: Chefarzt der Anstalt, Pate eines florierenden Deals mit Medikamenten; mitten im Geschäft; auf dem Klo verhaftet.

Die Pfleger waren am Ende mit ihren Nerven. Die Schwestern liebäugelten mit einer Krise. Ergo. Es standen wieder Massenentlassungen in der Psychiatrie im AK Ochsenzoll an. Zwei Drittel der Patienten sollten ihre Betten verlieren. Unten auf der Straße lauerte das Schicksal. Und für jeden war mit Sicherheit das Richtige dabei. Auch für Afram, den Griechen. Schon tückte der behandelnde Arzt von Zimmer zu Zimmer. Afram legte seine Ohren zurück. Seine gelben Zähne drohten unter der Oberlippe. Seine krausen schwarzen Locken standen aus Protest auf. Und der Arzt trat mit den Worten ein. Sie sind auch frei, Afram! Ich bin nicht frei! Sind Sie Afram? Ja, ich bin Afram; Afram, der Grieche! Also sind Sie frei! attestierte ihm der Arzt. Ich bin nicht frei! Warum sind Sie nicht frei? Weil ich immer noch von meinem Zensor besetzt bin! Zensor war ihm treu und ergeben; auch in der Anstalt – und er hatte das Oberstübchen von Afram vor sechzehn Jahren angemietet. Er hatte keinen Namen, kein Gesicht. Aber eine schöne, schöne Stimme. Sie stritt sich mit Afram. Sehr oft. Schon damals in Wuppertal, als Afram sein Erbrochenes vom Teller essen mußte, zwisteten sie zum ersten Mal miteinander. Was aus dem Magen kommt, wird auch gegessen! Dann schenkte Pa-noz, sein Vater, Afram einen Ouzo nach. Afram trank Ouzo und Tränen. Afram erbrach sich. Afram aß seine Grützwurst nicht. Noch nicht! Iß! sprach Vater Panoz. Afram fing sich Ohrfeigen ein. Afram aß seine Grützwurst nicht! Immer noch nicht! Iß! sprach Vater Panoz. Afram fing sich wieder Ohrfeigen ein. Und dann schlief Afram zum ersten Mal auf der Stelle mit offenen Augen ein. Er sagte, hörte und bewegte sich nicht mehr. Sein Kopf schwebte über dem Teller, die Hände waren um den Löffel geschlossen und der Blick: irgendwie verdroschen. Sein letztes Bild: Erbrochenes über der Grützwurst. Oft kam für Afram erst nach Stunden die Zeit des Erwachens. So wurde der kleine Fehler im schizophrenen Formenkreis Aframs geboren. Der Vater, sein Zensor, die Stimme diktierte ihm das Leben seit seinem achten Geburtstag, bis Afram endlich in den Genuß der Freiheit einer geschlossenen Abteilung im AK Ochsenzoll geriet.

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