: Beiß in die wächserne Kaulquappe Von Ralf Sotscheck
Judith aus Belfast blieb die Luft weg. Nachdem sie ihre Fassung halbwegs wiedererlangt hatte, hielt sie den Independent vom Samstag hoch. „Das Orange-Gerichtsverfahren“, stand da in einer ganzseitigen Annonce. „Es ist Gesetz, aber anderswo herrscht Aufruhr!“ Es war eine kryptische Anzeige für eine private Telefongesellschaft, die gerade einen Prozeß gegen die Konkurrenz wegen unlauteren Wettbewerbs gewonnen hatte. „Und das einen Tag nachdem der Orange Order seinen verdammten Triumphzug durch ein katholisches Viertel gerichtlich durchgesetzt und damit die schlimmsten Unruhen in Belfast seit 20 Jahren ausgelöst hat“, ärgerte sich Judith. „Die sollen sich ihre Telefone vors Knie nageln. Eher benutze ich eine Trommel.“
Dabei war sich die Telefongesellschaft des Problems durchaus bewußt. In derselben Ausgabe des Independent dachte die Direktorin laut über die Marketingstrategie für Nordirland nach, wo „Orange“ noch in diesem Jahr Fuß fassen möchte. Mit dem in England erfolgreichen Werbespruch geht das freilich nicht: „Die Zukunft ist glänzend, die Zukunft ist orange.“ In Anbetracht der angespannten politischen Lage und der Rolle des protestantischen Orangeisten-Ordens müsse man sich wohl umbenennen, wolle man nicht den katholischen Bevölkerungsteil von vornherein verprellen, riet eine Werbeagentur.
Solche Probleme treten normalerweise nur bei Übersetzungen in andere Sprachen auf. Oftmals kommen dabei Ferkeleien heraus, wie beim Ford Pinto, der in Brasilien nur Gelächter auslöste: „Pinto“ sind dort winzige männliche Genitalien. Das finnische Frostschutzmittel „Super-Piss“ wiederum lag in Großbritannien wie Blei in den Regalen. Parker hatte mit seinem Edelkugelschreiber wenig Glück in Mexiko: „Er läuft nicht in ihrer Tasche aus und blamiert sie“, wollte man der Kundschaft versprechen. Leider hatte man nicht genügend Sprachforschungen betrieben. In Wirklichkeit warf das Gelöbnis allerlei Fragen nach der Art der Tinte auf: „Er läuft nicht in ihrer Tasche aus und schwängert sie.“ Und Vauxhall, die britische Automarke, blieb in Spanien auf dem „Nova“ sitzen. „No va“ bedeutet im Spanischen: „Geht nicht“.
Am meisten kann offenbar bei Übertragungen ins Chinsesische schiefgehen. „Lebt auf mit der Pepsi-Generation“, wirbt der US- amerikanische Rülpswassergigant daheim. Die chinesische Übersetzung ging unfreiwillig viel weiter: „Pepsi bringt eure Vorfahren aus dem Totenreich zurück.“ Einziger Trost war, daß es der zahnzersetzenden Konkurrenz noch schlimmer erging. Sie mußte gar den Firmennamen ändern, denn phonetisch bedeutet „Coca-Cola“ im Chinesischen: „Beiß in die wächserne Kaulquappe.“
Aber auch umgekehrt haben die Chinesen manchmal wenig zu lachen, wenn sie ihre Namen ins Englische übertragen. Davon kann Judith ein Lied singen. Der neue Untermieter aus Hongkong stellte sich ihr als „Cock“ vor. Nachdem Judith ihn darauf hingewiesen hatte, daß er mit diesem Namen in Belfast schlechte Karten habe, weil damit umgangssprachlich ein Penis gemeint sei, beschloß Cock, seinen zweiten Vornamen zu benutzen: Poe. Das bedeutet im Englischen „Nachttopf“. Seitdem nennt Judith ihn Patrick.
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