: Um Ginster wie um U-Bahn betrogen
725 Jahre Bramfeld: Ausstellung und Fest im wenig gerühmten Stadtteil ■ Von Heike Haarhoff
Es ist, als laste ein Verkehrs-Fluch über Bramfeld. Vielleicht wird der Stadtteil im Hamburger Nordosten deshalb politisch wie kulturell so wenig erwähnt. Seitdem es motorisierte Transportmittel gibt, führt die öffentliche Nahverkehrsverbindung Reisende nach Bramfeld mehr an der Nase herum als in den Ort selbst. „Alles“, führt Ulrike Hoppe vom Stadtteilarchiv durch die Jubiläums-Ausstellung „725 Jahre Bramfeld“, fing damit an, daß die Bauern irgendwann Großstadtluft schnuppern wollten; es muß um die Jahrhundertwende gewesen sein.
Hamburg suchte damals händeringend nach Flächen für einen Groß-Friedhof. Die Landwirte in dem stillen Zwölf-Höfe-Dorf witterten ihre Chance und verkauften ihre Grundstücke in Ohlsdorf, um im Gegenzug die lang ersehnte öffentliche Verkehrsanbindung nach Hamburg zu bekommen. Statt der versprochenen Straßenbahn kam der 1. Weltkrieg.
Mitte der 60er Jahre – das einst eigenständige Dorf hatte sich in eine triste Wohn-/Schlafstadt mit 50.000 Einwohnern verwandelt – guckten die Bramfelder dann erneut in die Röhre. Die Planungen für die benachbarte Hochhaus-Großsiedlung Steilshoop sahen vor, die – mittlerweile installierte – Straßenbahnlinie wieder stillzulegen, stattdessen sollte bald eine neue U-Bahn eingeweiht werden.
Darauf warten die Bramfelder noch heute. Derweil quälen sie sich entweder ab S-Bahnhof Barmbek mit dem Bus oder im Privat-Pkw über die vierspurige und stets verstopfte Bramfelder Chaussee.
In der Ausstellung mit historischen und aktuellen Fotos, alten Schriften und dokumentierenden Texten, die das Stadtteil-Archiv anläßlich der 725-Jahre-Bramfeld-Feier an diesem Wochenende in der Bücherhalle Herthastraße zeigt, geht es nicht nur um Verkehrsgeschichte. „Wir wollten die gesamte Entwicklung zeigen“, sagt Ulrike Hoppe. Dazu gehört die unrühmliche Bramfelder Nazi-Geschichte ebenso wie die Suche nach Erklärungen, wie es dazu kommen konnte, daß das ehemalige Hufendorf, das seinen Namen dem einst üppigen Ginster-(=Bram)Bewuchs verdankt, heute zwar „so groß wie Lüneburg ist“, aber kein Kino, geschweige denn einen Ortskern aufweist. Dort, wo die alten Karten einen Dorfplatz mit Teich abbilden, versammeln sich die Bramfelder heute bestenfalls beim samstäglichen Großeinkauf in der gesichtslosen Herthastraße.
Ansonsten großzügig und wie konzeptionslos zersiedelte Flächen, Mehrfamilien- und Genossenschaftswohnblocks, die Gartenstadt Hohnerkamp. Die meisten historisch erhaltenen, schmucken Reetdachhäuser sind längst abgerissen; Restaurierung ist teuer. In einem solchen Haus baute der Stellmacher Max Bahr ab 1906 sein Baumarkt-Imperium auf, das sich heute mit 63 Verkaufshäusern über das Bundesgebiet erstreckt. Hauptarbeitgeber der Bramfelder ist heute aber nicht mehr der Holz- und Werkstoffhandel, sondern die Zentrale des Versandhauses Otto, den die meisten hier gut finden.
Für 50.000 Einwohner würde der nahegelegene Bramfelder See sich als Nah-Erholungsgebiet ideal anbieten. Doch die Autolawinen auf der trennenden Bramfelder Chaus-see machen den Zugang zum tödlichen Risiko, vor allem für Kinder. Östlich der Chaussee, an der Straßenkreuzung Im Soll/Reembusch, liegt das riesige Gelände einer ehemaligen Kalksandsteinfabrik brach. Noch mehr Wohnungen sollen hier entstehen, aber zunächst saniert die Umweltbehörde das verwilderte Fleckchen Landschaft – ein hochexplosives Gasgemisch wird im Boden vermutet.
Stadtteilfest Bramfeld, 27.-29.9., ganztägig mit Musik, Kleinkunst, Essen und Trinken, vor dem Ortsamt Herthastraße. Infos usw. zur Ausstellung: Stadtteilarchiv, Bramfelder Chaussee 25,
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