piwik no script img

Letzte Ölung für Sondermüll

Müllschiebereien: Hamburger Firmen sollen kräftig mitgemischt haben / Umweltbehörde sieht sich mit Kontrolle überfordert  ■ Von Marco Carini

Mehr als eine Nebenrolle spielen Hamburger Firmen im bundesweiten Giftmüll-Skandal, bei dem ein nationales Firmennetzwerk mit Mafia-Methoden ölhaltigen Sondermüll und hochgiftige Schlämme illegal und schwer umweltgefährdend entsorgt haben soll. Bei der größten Razzia gegen Umweltsünder in der Geschichte der Bundesrepublik durchsuchten die Ermittler am Donnerstag und Freitag auch vier Hamburger Firmen und beschlagnahmten zentnerweise Aktenmaterial.

Es handelt sich dabei um den Alt-öl-Schnelldienst Manfred Schülke, die Hamburger Filiale der westfälischen Abfallbeseitigung-Gesellschaft wab, die Ölraffinerie Weiss & Co und die „Reststoff-GmbH Verwertung und Entsorgung“. Alle vier Firmen sind auf einem gemeinsamen Grundstück im Wilhelmsburger Industriegebiet beheimatet. Die Ermittler vermuten, daß hier Teile des Sondermülls einfach verbrannt wurden.

Die drei erstgenannten Unternehmen haben zudem denselben Geschäftsführer oder Gesellschafter: Ansger J. Der Firmenchef, der am Donnerstag in Frankfurt festgenommen wurde, soll einer der Drahtzieher des bundesweiten Müllschieber-Consortiums sein. Der Altöl-Schnelldienst, aus dessen Tankwagen die Umweltpolizei gestern zahlreiche Proben zog, habe mit der Sache „nichts zu tun“, versicherte dessen Geschäftsführerin Jutta Schwarz. Ansger J. habe als Gesellschafter zudem „kaum Einfluß“ auf die Geschäfte gehabt.

Auch die Hamburger Umweltbehörde wurde gestern auf der Suche nach belastendem Material gegen die Müllschieber durchsucht. Denn für das Öko-Amt sind die Wilhelmsburger Firmen durchaus kein unbeschriebenes Blatt – gegen eine Destillationsanlage auf dem Unternehmensgelände läuft zur Zeit eine Stillegungsverfügung.

Mit der Überwachung privater Abfallentsorgung fühlt sich die Behörde allerdings überfordert. „Es ist unmöglich, 70.000 Begleitscheine und 80.000 Entsorgungsnachweise zu kontrollieren“, die allein in der Hansestadt jährlich beim Geschäft mit dem Müll anfallen, weiß Behördensprecher Kai Fabig: „Eine normale Behörde kann solche kriminellen Machenschaften nicht unterbinden.“ Befördert haben die Umweltbehördler die Mülldeals allerdings wohl auch nicht: Gegen Hamburger Beamte wird im Zusammenhang mit den Abfallschiebereien nicht ermittelt.

Nach Recherchen des Fernseh-Magazins Panorama soll auch ein Harburger Beerdigungsinstitut in den Entsorgungsskandal verwickelt sein. Möglicherweise wurden Teile des hochgiftigen Sondermülls in Särge gekippt und auf Friedhöfen zur ewigen Ruhe gebettet. Bei dem Bestattungsunternehmen gab man sich gestern ahnungslos: Die Staatsanwälte hätten noch nicht angeklopft.

Insgesamt wurden in Hamburg 15 Objekte durchsucht, darunter auch Lohnbüros und Banken. Die Razzien hier hätten allerdings, so ein Ermittler, nur der Beweissicherung gedient – die Institute hätten mit den Vorwürfen nichts zu tun.

Siehe auch Seiten 1 und 3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen