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Der konstante Terror der Biwa-Laute

■ Der Komponist Takemitsu Tôru und der Film, eine Retrospektive im Metropolis

Japans Filmmusik ist hauptsächlich Westmusik. Bis in die späten Fünfziger Jahre war es gar völlig undenkbar, irgendetwas japanisch Klingendes in Filmen zu verwenden. Dann aber betrat Takemitso Tôru, Gärtner und Komponist, die Tokyoter Filmstudios.

Spätestens 1964, mit Kobayashi Masakis Episodenfilm Kaidan, einer Sammlung alter Geistergeschichten, hat Takemitsu die unbezweifelbare Kraft seiner Version von moderner japanischer Filmmusik demonstriert. Weil das Erzählen dieser Gespenstergeschichten traditionellerweise von einer Biwa-Laute begleitet wurde, baute Takemitsu den ganzen Score auf einem biwa-Ton auf. Kaidan kommt ohne Melodien aus. Einzelnen Tönen wird dafür erlaubt, ihren gesamten „Klangraum“ abzuschreiten. Takemitsus Filmmusik ist dabei nicht selbstsüchtig, sie versucht stets nur, „die Musik, die schon in den Bildern ist“, hörbar zu machen. In Kaidan haben Takemitsu/Kobayashi einen kleinen Essay über ihre Zusammenarbeit versteckt: Innerhalb eines Klagegesangs entsteht aus einem Wellengeräusch ein Melodienbruchstück, gleichzeitig wird von einer echten Welle in eine gemalte Welle und zuletzt in eine Studiowelle übergeblendet. Aber selbstverständlich erfüllt Takemitsu auch die funktionalen Anforderungen an Filmmusik: Erst die Biwa-Laute macht den Schrecken von Kaidan zum konstanten Terror.

Wenn Takemitsu sagt: „Man muß sich anschleichen an den, den man erschrecken will. Zunächst muß man ganz still sein“, dann bezieht sich daß nicht nur auf John Cage, sondern auch auf das ma der klassischen japanischen Musik. Die Stille zwischen zwei Tönen ist keine Stille, sondern tosender Lärm, so wie die weißen Flächen auf japanischen Gemälden nicht leer sind, sondern das eigentliche Zentrum bilden. Und wenn Takemitsu, wie bei der Szene mit der Welle, das Verhältnis von gefundenen zu gemachten Klängen erforscht, dann ist wiederum nicht nur Cage der Bezugspunkt, sondern auch eine Form des japanischen Gartens, die mit Perspektiven arbeitet, die den Blick über die Grenzen der sorgfältig konstruierten Anlage hinaus auf Berg und Meer lenken. Der Komponist agiert als „Gärtner der Zeit“.

Nicht so glatt hingegen verlief die Zusammenarbeit mit Kurosawa bei dessen letztem Film, Ran (1980). Kurosawas Überhöhung des Endes einer Dynastie, einer Zeit, zum Bild der Endzeit enthält die entsetzlichsten Gemetzel. Aber kein Geschrei, kein Geklirr ist zu hören, nur eine elegische, „Mahler transzendierende“ Totenklage. Das hatte Takemitsu sich ganz anders vorgestellt: Eine musique concrète wollte er haben, nur aus verfremdeten Stimmen bestehend. Anfangs sei Kurosawa einverstanden gewesen, dann aber habe er irgendwoher eine Mahler-Aufnahme in die Finger gekriegt und sei fortan „besessen“ gewesen. „Nun ja, wir haben uns deswegen ziemlich viel gestritten.“ Jetzt aber gilt Ran als Meisterwerk.

Takemitsu Tôru ist im Februar 1996 gestorben, und das Metropolis ehrt ihn mit einer kleinen Retrospektive.

Matthias Anton

„Kaidan“, 11. Januar, „Dodesukaden“, 17. Januar, „Otoshiana“ 24. Januar, jeweils 21.15 Uhr und, „Antonio Gaudi“, 31. Januar, 19 Uhr

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