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„Ich will kein Denkmal gesetzt bekommen“

■ Muß eine frauentaz wirklich sein? Die Antwort gibt ein Streitgespräch zwischen zwei Frauen aus zwei Generationen

Was bedeutet für uns Frauen eigentlich eine frauentaz zum Frauentag? Brauchen wir einmal im Jahr diesen besonderen Blick auf unser Geschlecht? Diese Frage tauchte jetzt in der Redaktion auf und sorgte gleich für heftigen Streit. Denn nicht alle Frauen stehen hinter dem Konzept und manche wagen gar, es zu bezweifeln. Bei dem Streit war die Kluft zwischen den Generationen besonders groß, und wir entschieden uns deshalb, diese Auseinandersetzung nun öffentlich auszutragen. Über Sinn und Unsinn einer frauentaz diskutierten Ute Schalz-Laurenze (Musikwissenschaftlerin- und journalistin, Organisatorin von Frauenfestivals wie „Ihr werten Frauenzimmer auf. Frauen der Aufklärung“. Sie wurde 1943 geboren) und Katja Ubben (Kommunikationswirtin, aus der Politikredaktion der taz bremen, geboren 1971).

Katja Ubben: frauentaz einmal im Jahr. Das ist für mich wie Muttertag, an dem es einen Strauß geschenkt gibt und mehr nicht. Eine quasi verordnete Frauenfreundlichkeit.

Ute Schalz-Laurenze: Ich würde das nicht mit dem Muttertag vergleichen. Es steht dem Anspruch einer Zeitung an, so etwas zu machen. Man muß immer wieder darauf hinweisen, wie Frauen heute noch in aller Welt leben. Nur weil es ein Symboltag ist, muß es ja nicht gleich überflüssig sein. Solange die politische Situation anhaltend patriarchal ist, halte ich das für wichtig.

Ubben: Für mich setzt die frauentaz die Differenzierung und Ungleichheit in Szene. So nach dem Motto: Die Frau bekommt einen Tag, an dem sie in der taz erscheint. Dadurch wird ausgedrückt, daß Frauen erstens anders und zweitens förderungswürdig sind. Ich empfinde mich nicht als Teil der Bewegung „Wir Frauen“, die eine gemeinsame Identität haben. Ich finde es eher lächerlich, mich so immer wieder als anderes Geschlecht zu definieren.

Schalz-Laurenze: Dieser Einwand ist mir zu individuell, weil Du mit der Differenz argumentierst. Das geht in Richtung feministischer Theorien, denen man folgen kann oder nicht. Ich gehe eher von der politischen Wirklichkeit aus und die ist knallhart da. Wir müssen zeigen, daß wir noch im Patriarchat leben. Durch die taz könnten Anstöße gegeben werden.

Ubben: Ich glaube nicht, daß die Männer das auch so sehen. Die finden die frauentaz doch auch lächerlich. Vor allem wenn die Zeitung vermittelt, daß die Frauen einfach nicht rangelassen werden.

Schalz-Laurenze: Wenn Männer sich über gezielte Frauenarbeit lustig machen, dann kann mich das nicht interessieren. Dann tun sie das nur, um eigene Probleme zu verdrängen. Sie wollen mit einer Verantwortung für Frauendiskriminierung nichts zu tun haben. Ich kenne aber viele Männer, die gut finden, was wir machen. Ich finde es gut, Männer mal in solche Kontexte zu zwingen. Da kann ich mir vorstellen, daß der ein oder andere Mann anfängt, sein Bewußtsein zu verändern. Und daß er sich nicht mehr darüber lustig macht, daß Frauen für ihre Rechte kämpfen. Sie müssen es ja tun. Männer tun es doch nicht. Das kannst Du doch nicht wegdiskutieren. Das ist ja fast zynisch, was Du sagst.

Ubben: Aber Abgrenzung bringt doch nichts, das ist doch kontraproduktiv. Ich will mich nicht von den Männern abgrenzen. Ich will Teil dieser Gesellschaft sein, ob ich nun Frau oder Mann bin.

Schalz-Laurenze: Das stimmt. Aber ich bin eine Frau und ich habe eine 2000jährige Unterdrückung in mir. Das ist unsere Geschichte. Ich finde es wichtig, zu sagen, wie es allen Frauen auf der Welt immer noch geht. Das heißt ja nicht, daß ich nicht mit Männern zusammen arbeiten will. Mit Deiner Argumentation drückst Du Dich um eine größere Verantwortung.

Ubben: Aber die Verantwortung fängt doch beim einzelnen Menschen an. Tatsache ist: Diese Art von frauenbewegter Symbolwirkung spricht mich überhaupt nicht an.

Schalz-Laurenze: Sie könnte aber ein anderes Bewußtsein anregen. Wie reagierst Du denn auf politische Repression von Frauen? Wo soll denn das hin, das muß doch irgendwo aufgegriffen werden.

Ubben: Natürlich, aber nicht alles auf einmal in einer Zeitungsausgabe, um zu zeigen, wie elend es uns geht. Oh Gott, sind wir unterdrückt. Das kann doch dem Fortkommen der Frauen nicht zuträglich sein.

Schalz-Laurenze: Ich denke schon. Ich bin auch für so etwas wie explizite Frauenfestivals, obwohl sich die Frauen damit abgrenzen. Aber solange die politische Realität so ist, sollten wir das tun. Wie gehst Du denn als Journalistin mit der politischen Wirklichkeit von Frauen um?

Ubben: Frauen sind doch in ganz unterschiedliche Gruppen aufgeteilt: Da gibt es Mädchen, Migrantinnen usw., die alle ganz unterschiedliche Interessen haben.

Schalz-Laurenze: Wir sind aber als Frauen in einer bestimmten sozialen Kategorie, gerade geschichtlich. Frauen haben eine unglaubliche Leidgeschichte, wegen der es ansteht, daß daran wenigstens einmal im Jahr erinnert wird. Wir können nicht ohne Geschichte leben.

Ubben: Ich will so ein Denkmal nicht gesetzt bekommen. Ein Denkmal- oder Erinnerungstag, das kann es doch nicht sein.

Schalz-Laurenze: Du kannst doch nicht vergessen, daß Frauen 600 Jahre lang auf Scheiterhaufen verbrannt worden sind. Das haben wir in uns drin, und da kommt es doch her. Männer haben in der Geschichte immer wieder die Macht an sich gerissen. Sie wissen, daß das unrechtmäßig war. Das steckt irgendwie in ihnen drin, es gibt eine psychologische Anthropologie, die in jedem Mann drinsteckt und daran glaube ich.

Ubben: Das ist aber ein ziemlich biologistischer Ansatz und ebnet den Boden für eine Ungleichheit der Geschlechter. Dadurch wird Diskriminierung erst möglich, indem ich mich von ihnen abgrenze. Warum müssen Frauen sich immer als Frauen definieren. Ich glaube nicht, daß das ein Befreiungsschlag sein kann.

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