: Kein Vertrauen mehr in Pannen-Haase
■ Abgeordnetenhaus fühlt sich mehrheitlich von seinem Präsidenten nicht mehr repräsentiert. Tauziehen um Zulässigkeit des bündnisgrünen Mißtrauensappells. SPD: Vertrauensverlust brisant für Parlament
Parlamentspräsident Herwig Haase hat das Vertrauen des Abgeordnetenhauses verloren. Drei Tage vor der von den Bündnisgrünen beantragten Mißtrauensbekundung gegen Haase gibt keiner mehr einen Pfifferling auf den tapsigen und glücklosen Parlamentsvorsteher. „Die Mehrheit fühlt sich von Herrn Haase nicht mehr repräsentiert.“ In diesem Sinne äußerte sich nicht nur SPD-Fraktionsvize Klaus Wowereit, sondern ein ganzer Schwarm von Abgeordneten aller Fraktionen. Die CDUler vermeiden jedoch, ihrem Mitglied offen die Leviten zu lesen.
Wie berichtet, fährt der 53jährige Osteuropakundler Herwig Haase seit Amtsantritt einen konsequenten Pannenkurs. Er schloß am Tag des Holocaust auch Wehrmacht und SS in sein Gedenken ein. Ein Treffen mit dem Chef der neofaschistischen Alleanza Nazionale sagte er erst auf öffentlichen Druck hin ab. Privat sieht er einem Strafverfahren wegen ungenehmigten Baumfällens entgegen. Ob die gerade bekanntgewordene Beförderung seines Büroleiters rechtlich korrekt war, wird der Hauptausschuß am Mittwoch prüfen.
Eine Vorentscheidung über die politische Zukunft Haases fällt schon morgen im Ältestenrat. Der befindet darüber, wie der bündnisgrüne Mißtrauensappell zu behandeln ist. Ein regelrechtes Absetzungsverfahren gibt es nämlich laut Geschäftsordnung nicht. Dies verhindere zugleich den von den Bündnisgrünen gewählten Weg, wird verschiedentlich geäußert. Aus Kreisen des Ältestenrats war zu hören, daß der Antrag am Donnerstag zur Abstimmung kommt.
Damit wird die Luft dünn für Haase. PDS und Bündnisgrüne werden ihm einen Amtsverzicht nahelegen. Auch in der SPD macht sich niemand mehr für den Präsidenten der Peinlichkeiten stark. Die SPD-Fraktion findet die Mißtrauensabstimmung nicht besonders glücklich, wird jedoch keinen Fraktionszwang ausüben. Das macht den Weg frei für eine mehrheitliche Mißbilligung im Parlament.
Die CDU wird die Mißtrauensbekundung gegen den Präsidenten nicht verhindern. „Der Antrag ist nun mal auf der Tagesordnung“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Volker Liepelt (CDU). Hinter vorgehaltener Hand wird Haase in der CDU für sein ungeschicktes Vorgehen kritisiert. Wegen der Einladung des Neofaschisten Fini lag gar ein ausformulierter Antrag vor, der Haase rügte. „Es gab eine Diskussion im Fall Fini“, bestätigte Liepelt gestern. Die Fraktion allerdings verhielt sich schließlich doch solidarisch. Dafür hat die CDU- Sitzungsregie gesorgt, die das haasekritische Papier unabgestimmt verschwinden ließ. Gleichwohl ist Haases Kredit aufgebraucht. „Ich werde nicht gegen ihn stimmen“, sagte Christian Zippel (CDU), „aber der Fall Haase darf kein Dauerbrenner werden.“ Dem Vernehmen nach zählt auch Parlamentsvize Reinhard Führer zu den Kritikern Haases. Führer nervt der Arbeitsstil des notorisch uninformierten Präsidenten.
Haases Stellvertreterin Nummer zwei, Marianne Brinckmeier (SPD), sieht mittlerweile den Ruf des ganzen Abgeordnetenhauses in Mitleidenschaft gezogen. Der Fall Haase berge Brisanz für den Parlamentarismus. Mit der andauernden Kritik an seinem Präsidenten werde das Parlament als Ganzes geschwächt. Christian Füller
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