Welpenparty gegen Verhaltensstörungen Von Ralf Sotscheck

Das sicherste Zeichen für einen Wirtschaftsboom ist die plötzliche Vermehrung von Hundepsychologen. Ein Land, das es sich leisten kann, seine Vierbeiner zur Verhaltenstherapie zu schicken, ist aus dem Gröbsten raus.

Neulich kam eine Postwurfsendung vom Veterinärmediziner, der unsere Katze schon dreimal nach Begegnungen mit den beiden Nachbarszwillingshunden zusammengeflickt hat. Er habe noch ein paar Plätze bei seinen „Welpenparties“ frei: Einmal im Monat kommen nagelneue Tölen in der Praxis zusammen, um unter Anleitung der „aus Funk und Fernsehen bekannten Mary Owens“ Sozialverhalten zu üben. Damit könne man gar nicht früh genug anfangen, hieß es in dem Brief: Einzelhunde neigten im späteren Hundeleben zu Verhaltensstörungen.

Er hat recht. Caroline, eine entfernte Verwandte, hatte viele glückliche Jahre mit Bosco verbracht, doch plötzlich wurde die Hündin bockig. Manchmal blieb sie mitten auf der Hauptstraße sitzen, ein anderes Mal hatte sie keine Lust auf einen Strandspaziergang. Ein riesiges Problem, ist die Labrador-Hündin doch mindestens zehn Kilo schwerer als Caroline. Doktor Flynn, der Tierpsychologe, tippte auf Machtkampf. Nach jahrelanger Unterwerfung fand Bosco offenbar, daß es an der Zeit sei, die Führung des sechsbeinigen Rudels zu übernehmen, analysierte der Psychologe. Caroline mußte zugeben, daß Bosco sie seit einiger Zeit mit einem regelrechten Bodycheck aus dem Weg räumte, kaum daß sie die Haustür aufgeschlossen hat, um dann erhobenen Hauptes als erste durch die Tür zu schreiten. Hinzu kommt, daß das Tier auch noch unter Trennungsangst leidet – wie übrigens 14 Prozent seiner Artgenossen, wie man aus dem Werbeblatt erfährt. Kaum zieht Caroline morgens die Autoschlüssel aus der Handtasche, kotzt Bosco auf den Teppich. Auch hier wußte der Psychologe Rat: Frauchen müsse das Hundchen verwirren, indem sie öfter mal die Autoschlüssel aus der Handtasche zieht, doch dann zu Hause bleibt. Kein guter Tip, wie sich herausstellte, aber wenigstens kann sie den Teppich nun gleich wieder saubermachen, bevor das Zeug eintrocknet.

Verhaltenstherapie für Hunde ist in den USA erfunden worden, dem Land von Lassie und Rin Tin Tin. Diese beiden Überhunde sind auch schuld daran, daß viele Leute glauben, Hunde haben menschliche Eigenschaften. Wie aber erklärt man einer alten Dame, warum ihr Haustier ständig das Sofakissen bespringt und dabei mit der Hüfte kreist? Lassie tut so etwas nicht. „Ignorieren“, rät Doktor Flynn. Und den Kissenbezug täglich waschen.

Was ein Tierpsychologe kann, kann unsere Katze schon lange: Sie hat die Verhaltenstherapie der beiden Nachbarshunde übernommen. Jedesmal wenn Penny und Tuppence, die bulligen Promenadenmischungen, Gassi geführt werden, legt sich die Mieze aufs Fensterbrett. Dann drehen die Köter regelmäßig durch und springen an der Hauswand hoch. Der Nachbar, dem das peinlich ist, vermöbelt die Tiere daraufhin, während die Katze sich genüßlich die gestreckte Mittelkralle leckt. Die Therapie scheint zu funktionieren: Als Penny und Tuppence neulich die Katze erspähten, zogen sie instinktiv die Köpfe ein und begannen jämmerlich zu winseln.